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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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vernehmen.»
    «Du lieber Himmel! Wo haben Sie denn das her?»
    «Man soll’s nicht glauben, aber so endet ein Sonett von Keats. Gewiß, es war ein Jugendwerk, aber manche Dinge sind nicht einmal mit Jugend zu entschuldigen.»
    «Fahren wir flußabwärts. Ich brauche Einsamkeit, um mich von dem Schrecken zu erholen.»
    Er drehte den Kahn in die Strömung und steuerte präzise durch die Brücke. Dann:
    «Bewundernswerte! Sie haben mir gestattet, vor den beiden verlassenen Ariadnen das Pfauenrad zu schlagen. Möchten Sie jetzt lieber wieder auf eigenen Füßen stehen und die Stake selbst in die Hand nehmen? Ich gebe zu, daß es mehr Spaß macht, selbst zu staken als sich staken zu lassen, und daß der Wunsch, den ganzen Spaß für sich zu haben, neunzig Prozent der Gesetze der Ritterlichkeit ausmacht.»
    «Könnte es sein, daß Sie gerecht und großmütig gesinnt sind? Dann will ich Ihnen an Großmut nicht nachstehen. Ich werde wie eine vollendete Dame dasitzen und Ihnen beim Arbeiten zusehen. Wenn einer seine Arbeit versteht, macht auch das Zuschauen Spaß.»
    «Wenn Sie so etwas sagen, werde ich noch eitel und stelle etwas Dummes an.»
    Es war tatsächlich ein Genuß, ihm beim Staken zuzusehen. Seine Bewegungen waren elegant und erstaunlich schnell. Sie legten den bevölkerten und anstrengenden Flußabschnitt in überraschend kurzer Zeit zurück und wurden an der Engstelle oberhalb der Fähre von einem anderen Puntkahn aufgehalten, der sich unbeholfen in der Strömung drehte und ein paar Paddelboote gefährlich ans Ufer drängte.
    «Bevor Sie sich auf dieses Wasser begeben», rief Wimsey, indem er das Hindernis mit dem Absatz wegstieß und den jungen Mann, der die Stake führte (ein mageres Jüngelchen mit nacktem Oberkörper und krebsrot gebrannt von der Sonne), böse anfunkelte, «sollten Sie mal erst die Verkehrsregeln lernen. Diese Paddelboote haben Vorfahrt. Und wenn Sie nicht mit der Stake umgehen können, empfehle ich Ihnen, sich auf den toten Flußarm zurückzuziehen, bis Sie wissen, wozu der Herrgott Ihnen Füße mitgegeben hat.»
    Woraufhin ein Mann in den Vierzigern, dessen Puntkahn ein Stückchen weiter am Ufer lag, ruckartig den Kopf umwandte und mit dröhnender Stimme rief:
    «Heilige Neune! Wimsey vom Balliol!»
    «Na, na, na», sagte Seine Lordschaft, ließ von dem krebsroten Jüngling ab und drehte neben dem Puntkahn bei. «Peake vom Brasenose, bei allem, was heilig ist! Was führt denn dich hierher?»
    «Menschenskind», sagte Mr. Peake, «ich wohne hier. Wie du hierherkommst, ist schon eher die Frage. Du kennst meine Frau noch nicht – Lord Peter Wimsey, meine Liebe – der große Kricketstar. Der Rest ist meine Familie.»
    Er deutete mit unbestimmter Gebärde auf eine bunte Kinderschar.
    «Ach, ich wollte nur noch mal die alten Stätten besuchen», meinte Peter, nachdem die Vorstellerei ringsum erledigt war. «Ich habe hier einen Neffen und so weiter. Was machst du denn? Tutor? Lektor? Professor?»
    «O Gott, ich spiele Repetitor. Ein Hundeleben, ein Hundeleben. Meine Güte! Seit wir uns zuletzt gesehen haben, ist viel Wasser unter der Folly Bridge durchgeflossen. Aber deine Stimme hätte ich überall wiedererkannt. In dem Moment, als ich diesen arrogenten, herablassenden Scher-dich-zum-Teufel-Ton hörte, wußte ich gleich: Wimsey vom Balliol. Hatte ich nicht recht?»
    Wimsey zog die Stake ein und setzte sich.
    «Hab Erbarmen, alter Freund, hab Erbarmen. Laß die Toten ruhen in Frieden.»
    «Wißt ihr», sagte Mr. Peake zur Welt im allgemeinen, «als wir zusammen hier studierten – schrecklich lange ist das her – aber macht nichts! Wenn einer von uns Besuch vom Lande oder aus Amerika bekam, und der fragte, wie es diese Leute so an sich haben: ‹Was ist nun eigentlich diese sogenannte typische Oxforder Art?› dann haben wir ihn gewöhnlich hingeführt und ihm Wimsey vom Balliol gezeigt. Man konnte ihn schön zwischen den St. John’s-Gärten und dem Märtyrerdenkmal einschieben.»
    «Wenn er nun aber nicht da war oder gerade keine Lust hatte?»
    «Diese Katastrophe ist nie eingetreten. Wimsey vom Balliol traf man unfehlbar mitten auf dem Collegehof an, wo er gerade jemandem mit unnachahmlicher Frechheit die Leviten las.»
    Wimsey steckte den Kopf zwischen die Hände.
    «Wir hatten uns schon angewöhnt, Wetten abzuschließen», fuhr Mr. Peake fort, der sich seinen Begriff von Humor anscheinend noch aus Studententagen bewahrt hatte, was zweifellos daher kam, daß er ständigen Kontakt mit

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