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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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für Sie.»
    «Ja – obwohl ich nicht ganz begreife, warum Sie das meinen. Aber Sie sind überzeugt, daß ich lieber sterben würde, als mich zu so einem demütigenden Schauspiel herzugeben.»
    «Ist es nicht so?»
    «Und insgesamt gesehen wüßten Sie mich lieber tot als gedemütigt.»
    «Das ist wahrscheinlich nur eine andere Form von Egoismus. Ich stehe Ihnen jedenfalls voll zu Diensten.»
    «Wenn Sie so ein gefährlicher Verbündeter sind, könnte ich Sie natürlich auch bitten wegzugehen.»
    «Das möchte ich erleben, daß Sie mich drängen, wegzugehen und etwas unerledigt liegenzulassen.»
    «Nun, Peter, jedenfalls würde ich wirklich lieber sterben, als Ihnen oder anderen in bezug auf Sie etwas vorzuspielen. Aber ich glaube, Sie übertreiben das Ganze auch. Sie lassen sich doch sonst nicht so ins Bockshorn jagen.»
    «O doch, sehr oft; aber wenn es nur um mich selbst geht, kann ich es darauf ankommen lassen. Wenn es um andere geht –»
    «– schicken Sie instinktiv die Frauen und Kinder in die Rettungsboote.»
    «Nun ja», gab er abbittend zu, «man kann seine natürlichen Instinkte nicht ganz und gar unterdrücken, auch wenn Vernunft und Eigeninteresse etwas anderes verlangen.»
    «Peter, es ist wirklich ein Jammer. Erlauben Sie mir, Sie einmal mit einer lieben kleinen Frau bekannt zu machen, die sich nichts Schöneres vorstellen kann, als beschützt zu werden.»
    «An so eine Frau wäre ich verschwendet. Außerdem würde sie mir immer etwas vormachen, auf die netteste Art und nur zu meinem Wohl; aber das würde ich nicht ertragen. Ich kann es nicht leiden, von einem Menschen taktvoll manipuliert zu werden, der mit mir auf einer Stufe stehen soll. Wenn ich taktvolle Abhängige haben will, kann ich sie bezahlen. Und ich kann sie entlassen, wenn sie mir zu taktvoll werden. Ich meine nicht Bunter. Er erfrischt mich stets aufs neue mit einer kalten Dusche seiner stummen Kritik. Ich beschütze nicht ihn, sondern er beschützt mich und bewahrt sich seine unabhängige Meinung … Aber auch ohne den Beschützer spielen zu wollen, möchte ich Ihnen vorschlagen, gewisse Vorkehrungen zu treffen. Ich sag’s Ihnen ehrlich, mir gefällt die Vorliebe Ihrer Freundin für Messer und Würgen nicht.»
    «Meinen Sie das im Ernst?»
    «Ausnahmsweise.»
    Harriet wollte ihm gerade antworten, er solle sich nicht lächerlich machen, da fiel ihr Miss Bartons Geschichte mit den kräftigen Händen ein, die sie von hinten gepackt haben sollten. Vielleicht hatte das doch gestimmt. Der Gedanke, nachts durch die Korridore zu patrouillieren, war ihr plötzlich unangenehm.
    «Also gut; ich werde achtgeben.»
    «Ich halte es für klüger. Jetzt mache ich mich aber lieber davon. Ich werde rechtzeitig zum Abendessen an der Hohen Tafel dasein. Sieben Uhr?»
    Sie nickte. Er hielt sich buchstabengetreu an ihre Bitte, «schon heute vormittag statt erst um sechs» zu kommen. Mit einem gewissen Gefühl der Leere ging sie hin, sich mit Miss Lydgates Fahnen zu befassen.

17 . Kapitel
    Der vieles fragt, wird vieles lernen und vieles wissen; besonders aber, wenn seine Fragen sich an das Wissen des Gefragten wenden; denn damit gibt er ihm Gelegenheit, sich an der eignen Rede zu erfreuen, und er selbst wird dadurch immer mehr Wissen sammeln. Nie aber sollen seine Fragen lästig sein, denn das verrät den Wichtigtuer; und möge er darauf achten, daß er andere auch zu Worte kommen läßt.
    FRANCIS BACON
     
    «Wissen Sie, wie Sie aussehen?» fragte die Dekanin. «Wie eine aufgeregte Mutter, deren Söhnchen bei der Schulfeier den Schiffbruch des Hesperus aufsagen soll.»
    «Ich komme mir eher vor wie Daniels Mutter», sagte Harriet.
     
    « König Darius sprach zu den Löwen:
Beißt Daniel. Beißt Daniel.
Beißt ihn, beißt ihn, beißt ihn! »
     
    «Grrrrr!» machte die Dekanin.
    Sie standen an der Tür zum Dozentenzimmer, von wo man freie Sicht auf die Pforte am Jowett Walk hatte. Auf dem Alten Hof herrschte reger Betrieb. Zuspätkommende hasteten in ihre Unterkünfte, um sich zum Abendessen umzuziehen; andere, die sich bereits umgezogen hatten, flanierten in Grüppchen umher und warteten auf die Glocke; manche spielten noch immer Tennis; Miss de Vine kam aus dem Bibliotheksflügel, immer noch geistesabwesend an ihren Haarnadeln herumfingernd (Harriet hatte sie inzwischen verglichen und identifiziert); eine elegante Gestalt kam aus Richtung des Neuen Hofes heranstolziert.
    «Miss Shaw hat ein neues Kleid an», sagte Harriet.
    «In der Tat! Todschick

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