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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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auf beiden Seiten mit nicht nachlassender Höflichkeit geführt.
    Dr. Baring begann mit der Frage, ob man Lord Peter bereits durchs College geführt habe und was er dazu meine, wobei sie mit geziemender Bescheidenheit hinzufügte, daß es architektonisch natürlich nicht mit den älteren Institutionen konkurrieren könne.
    «In Anbetracht der Tatsache», antwortete Wimsey betrübt, «daß die Architektur meiner eigenen alten Institution sich zu mathematisch gleichen Teilen zusammensetzt aus Ehrgeiz, Schludrigkeit, Verschandelung und Lächerlichkeit, klingt diese Bemerkung wie Hohn.»
    Die Rektorin, fast schon zu der Befürchtung verleitet, sie habe sich einen Fauxpas zuschulden kommen lassen, beeilte sich zu versichern, daß sie keinerlei persönliche Anspielung beabsichtigt habe.
    «Es tut uns ganz gut, gelegentlich daran erinnert zu werden», sagte er. «Wir werden kasteit von der Neogotik des neunzehnten Jahrhunderts, damit wir in unserer anmaßenden Balliolität nicht Gott vergessen. Wir haben das Gute abgerissen, um Platz für Schlechtes zu machen; Sie dagegen haben eine Welt aus dem Nichts geschaffen – ein sehr viel göttlicherer Vorgang.»
    Die Rektorin, die sich auf diesem schlüpfrigen Grund zwischen Scherz und Ernst nur sehr unsicher bewegte, fand hier wieder festen Boden unter den Füßen.
    «Es stimmt, daß wir aus sehr wenigem das Bestmögliche machen mußten – und das ist, wie Sie wissen, charakteristisch für unsere ganze Situation hier.»
    «Eben. Sie bekommen so gut wie gar keine Zuschüsse?»
    Die Frage bezog die Dekanin mit ein, die gutgelaunt antwortete:
    «So ist es. Wir schaffen alles nur mit Pfennigfuchserei.»
    «Wenn das so ist», sagte er ernsthaft, «will selbst Bewunderung schon als Dreistigkeit erscheinen. Das ist ein sehr schöner Speisesaal hier – wer hat ihn gebaut?»
    Die Rektorin gab ihm einen kurzen geschichtlichen Überblick und brach plötzlich mit der Bemerkung ab:
    «Aber wahrscheinlich interessiert Sie die Frage des Frauenstudiums nicht sonderlich.»
    «Ist das denn noch immer eine Frage? Das dürfte nicht sein. Sie werden mich nun hoffentlich nicht fragen, ob ich es gutheiße, wenn Frauen dieses oder jenes tun.»
    «Warum nicht?»
    «Weil Sie nicht einmal so tun dürfen, als ob ich da ein Recht zur Billigung oder Mißbilligung hätte.»
    «Ich kann Ihnen versichern», sagte die Rektorin, «daß wir selbst in Oxford immer noch Leuten begegnen, die sich das Recht zur Mißbilligung herausnehmen.»
    «Und ich hatte gehofft, in die Zivilisation zurückzukommen.»
    Das Abräumen der Fischteller brachte eine kurze Ablenkung, und die Rektorin ergriff diese Gelegenheit, um sich nun nach der Situation in Europa zu erkundigen. Auf diesem Gebiet war ihr Gast zu Hause. Harriet erhaschte einen Blick der Dekanin und lächelte. Aber die schwereren Prüfungen standen noch bevor. Die internationale Politik leitete über zur Geschichte und die Geschichte – nach Dr. Barings Ansicht – zur Philosophie. Aus einem Wortgewirr tauchte plötzlich der ominöse Name Plato auf, und die Rektorin schob eine philosophische These vor wie einen Bauern auf dem Schachbrett, zum Schlagen einladend.
    So mancher war schon über diesen philosophischen Bauern der Rektorin ins Unglück gestolpert. Es gab zwei Möglichkeiten, ihn zu nehmen, und beide hatten gleich verheerende Folgen. Die eine bestand darin, sich wissend zu geben, die andere in einer unaufrichtig interessierten Bitte um Belehrung. Seine Lordschaft lächelte freundlich und nahm das Gambit nicht an.
    «Auf dem Gebiet kann ich nicht mitreden. Ich habe keine philosophische Ader.»
    «Und wie würden Sie eine philosophische Ader definieren, Lord Peter?»
    «Gar nicht; Definitionen sind gefährlich. Aber ich weiß, daß die Philosophie für mich ein Buch mit sieben Siegeln ist, wie Musik für den Unmusikalischen.»
    Die Rektorin warf ihm einen raschen Blick zu; er präsentierte ihr nur ein unschuldiges Profil, nachdenklich über seinen Teller gesenkt wie ein Reiher vor einem Tümpel.
    «Ein sehr treffender Vergleich», sagte die Rektorin; «ich bin nämlich zufällig selbst unmusikalisch.»
    «Wirklich? Das habe ich mir schon fast gedacht», sagte er ruhig.
    «Sehr interessant. Und woher wollten Sie das wissen?»
    «Es hat mit einer bestimmten Eigentümlichkeit der Stimme zu tun.» Er begegnete ihrem prüfenden Blick mit seinen offenen grauen Augen. «Aber sehr zuverlässig kann man diesen Schluß nicht ziehen, und wie Sie bemerkt haben werden,

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