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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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in Mitteleuropa. Miss Shaw lächelte mit einer Liebenswürdigkeit, die Miss Stevens’ barsches «Guten Tag» und ihren sofortigen Rückzug auf ihr angeregtes Gespräch mit Miss Allison über eine Collegeangelegenheit noch barscher wirken ließ. Miss Pyke überfiel ihn mit einer intelligenten Frage nach dem neuesten Mordfall. Miss Barton, sichtlich entschlossen, ihn in puncto Todesstrafe eines Besseren zu belehren, wurde durch die höfliche Liebenswürdigkeit, die sich ihr in seinem Gesicht präsentierte, sogleich entwaffnet und stellte statt dessen nur fest, daß es ein bemerkenswert schöner Tag gewesen sei.
    «Komödiant!» dachte Harriet, als Miss Barton ihn, nachdem sie festgestellt hatte, daß sie nichts mit ihm anzufangen wußte, an Miss Hillyard weiterreichte.
    «Ah!» sagte Wimsey sofort, indem er der Geschichtsprofessorin strahlend in die trotzigen Augen sah. «Das freut mich sehr. Ihr Artikel in der Historical Review über die diplomatischen Aspekte der Scheidung …»
    (Um Gottes willen! dachte Harriet. Hoffentlich weiß er, wovon er redet.)
    «… wirklich hervorragend. Ich finde sogar, Sie haben, wenn überhaupt, den Druck eher ein wenig unterschätzt, unter den Papst Clemens von …»
    «… die unveröffentlichten Depeschen konsultiert, die im Besitz von …»
    «… hätten Sie dieses Argument noch etwas weiterführen können. Sie weisen sehr zu Recht darauf hin, daß der Kaiser …»
    (Ja, er hatte den Artikel gelesen.)
    «… von Vorurteil entstellt, aber eine große Autorität in kanonischem Recht …»
    «… müßte einmal gründlich überarbeitet und neu herausgegeben werden. Zahllose Fehltransskriptionen und mindestens eine unverantwortliche Unterschlagung …»
    «… wenn Sie da einmal herankommen wollen, kann ich Sie wahrscheinlich mit jemandem in Verbindung … offizielle Kanäle … persönliche Einführung … macht überhaupt keine Schwierigkeiten …»
    «Miss Hillyard», sagte die Dekanin zu Harriet, «macht ein Gesicht, als ob sie soeben ein Geburtstagsgeschenk bekommen hätte.»
    «Ich glaube, er bietet ihr Zugang zu irgendeiner ausgefallenen Informationsquelle an.» (Immerhin, dachte sie, er ist doch jemand, obwohl man das offenbar immer wieder vergißt.)
    «… weniger politisch als ökonomisch.»
    «Oh», sagte Miss Hillyard, «in Sachen Staatsfinanzen ist Miss de Vine hier die eigentliche Autorität.»
    Sie besorgte die Vorstellung selbst, und die Diskussion ging weiter.
    «Na bitte», sagte die Dekanin, «Miss Hillyard hat er jedenfalls schon im Sturm erobert.»
    «Und jetzt erobert ihn Miss de Vine.»
    «Ich glaube, das ist eine Eroberung auf Gegenseitigkeit. Jedenfalls löst sich wieder ihr Haarknoten, was bei ihr ein sicheres Zeichen für freudige Erregung ist.»
    «Ja», sagte Harriet. Wimsey diskutierte kundig über die Enteignung von Klostervermögen, aber sie zweifelte kaum daran, daß er im Hinterkopf nichts als Haarnadeln hatte.
    «Da kommt die Rektorin. Jetzt müssen wir sie mit Gewalt auseinanderreißen. Er muß sich mit Dr. Baring abgeben und sie in den Speisesaal geleiten … Alles in Butter. Sie hat ihn sich schon gegriffen. Wie energisch sie von ihrem königlichen Vorrecht Gebrauch macht! … Wollen Sie neben ihm sitzen und ihm die Hand halten?»
    «Ich glaube kaum, daß er meine Hilfe braucht. Sie sind die Richtige für ihn. Völlig unverdächtig, aber bestens informiert.»
    «Gut, dann werde ich ihm was in die Ohren flüstern. Sie setzen sich am besten uns gegenüber und stoßen mich unterm Tisch an, wenn ich etwas Indiskretes von mir gebe.»
    Dank dieser Vereinbarung kam Harriet ein wenig ungemütlich zwischen Miss Hillyard (von der sie immer noch eine gewisse Feindschaft ihr gegenüber ausgehen fühlte) und Miss Barton (der Wimseys kriminalistisches Hobby offenbar immer noch zu schaffen machte) zu sitzen, und den beiden Menschen gegenüber, deren Gesichter sie noch am ehesten aus ihrer ernsten Ruhe bringen konnten. An Miss Martins anderer Seite saß Miss Pyke, und auf der andern Seite von Miss Hillyard saß Miss de Vine, schön in Wimseys Blickfeld. Miss Lydgate, die feste Burg, saß am fernen Tischende und konnte ihr keinerlei Zuflucht bieten.
    Weder Miss Hillyard noch Miss Barton hatten viel mit Harriet zu reden, so daß sie dem unverblümten Versuch der Rektorin, Wimsey auszuloten, sowie dessen diplomatisch verschleiertem, aber nicht minder entschlossenem Versuch, die Rektorin auszuloten, ohne große Schwierigkeiten folgen konnte. Das Duell wurde

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