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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Sie könnten mal diese Türen abwischen, ja?» Er wandte sich lächelnd an die Dekanin. «Sie sehen, selbst wenn wir alle Fingerabdrücke identifizieren, würden sie doch samt und sonders nur Leuten gehören, die alles Recht hatten, sich hier aufzuhalten. Und außerdem wußte unsere Missetäterin, wie jeder heutzutage, wahrscheinlich gut genug Bescheid, um Handschuhe zu tragen.» Er musterte kritisch den Hörsaal.
    «Miss Vane!»
    «Ja?»
    «Etwas hat Sie in diesem Zimmer gestört. Was war’s?»
    «Das braucht man Ihnen wohl nicht erst zu sagen.»
    «Nein; ich bin überzeugt, daß unsre Herzen im gleichen Takt schlagen. Aber sagen Sie’s mal Miss Martin.»
    «Als die Giftspritze das Licht löschte, muß sie in der Nähe der Tür gewesen sein. Dann ist sie durch die Dunkelkammer geflüchtet. Warum hat sie dann aber die Tafel umgestoßen, die gar nicht auf dem Weg zwischen den beiden Türen stand?»
    «Genau.»
    «Oh!» rief die Dekanin. «Aber das sagt eigentlich gar nichts. Man verläuft sich oft im Dunkeln. Einmal hatte meine Leselampe nachts einen Kurzschluß, und ich stand auf und wollte zum Lichtschalter an der Wand und endete mit der Nase am Kleiderschrank.»
    «Da, bitte!» sagte Wimsey. «Die eisige Stimme des gesunden Menschenverstandes fällt auf unsere kühnen Schlüsse wie kaltes Wasser auf heißes Glas und läßt sie in tausend Stücke zerspringen. Aber ich glaub’s nicht. Sie brauchte sich ja nur an der Wand entlangzutasten. Sie muß also einen Grund gehabt haben, noch einmal in die Zimmermitte zu gehen.»
    «Sie hatte etwas auf dem Tisch liegenlassen.»
    «Das ist schon wahrscheinlicher. Aber was? Etwas, woran man sie erkennen könnte.»
    «Ein Taschentuch oder dergleichen, womit sie die Buchstaben beim Aufkleben aufs Papier gedrückt hat.»
    «Sagen wir, so war es. Ich nehme an, diese Papiere liegen noch genau so da, wie Sie sie angetroffen haben. Haben Sie einmal daran gefühlt, ob der Leim noch feucht war?»
    «Nur bei diesem unvollendeten Machwerk auf dem Fußboden. Sie sehen hier, wie sie’s gemacht hat. Sie hat einen Leimstrich übers ganze Papier gezogen und dann die Buchstaben draufgedrückt. Die unvollendete Zeile war noch ein wenig klebrig, aber nicht mehr direkt feucht. Wir sind natürlich auch erst hier hereingekommen, nachdem sie schon fünf bis zehn Minuten fort war.»
    «Die andern haben Sie nicht geprüft?»
    «Leider nein.»
    «Ich überlege ja nur, wie lange sie hier wohl gesessen hat. Sie hat ja ein ganz schönes Stück Arbeit geleistet. Aber wir bekommen das vielleicht auf andere Weise heraus.» Er nahm den Kartondeckel mit den losen Buchstaben zur Hand.
    «Grober brauner Karton. Ich glaube, wir sparen uns die Mühe, darauf nach Fingerabdrücken zu suchen. Oder seine Herkunft zu ermitteln. Er kann von überallher kommen. Sie war fast mit ihrer Arbeit fertig. Es ist nur noch ein rundes Dutzend Buchstaben übrig, darunter mehrere Q und X und dergleichen unhandliche Konsonanten. Ich möchte nur wissen, wie diese unfertige Botschaft enden sollte.»
    Er hob das Blatt vom Boden auf und drehte es um.
    «Es ist an Sie gerichtet, Miss Vane. Werden Sie zum erstenmal mit so etwas beehrt?»
    «Zum erstenmal – seit dem ersten Mal.»
    «Aha! ‹Bilde dir nicht ein, du kriegst mich. Über dich kann ich nur lachen, du …› Na ja, das Attribut muß sich dann wohl aus den übrigen Buchstaben in der Schachtel zusammensetzen. Wenn Ihr Wortschatz groß genug ist, bekommen Sie vielleicht heraus, was es heißen sollte.»
    «Aber … Lord Peter –»
    Es war so lange her, seit sie ihn zuletzt mit seinem Titel angesprochen hatte, daß sie richtig verlegen wurde. Aber sie war ihm dankbar für seine Förmlichkeit.
    «Ich möchte nur wissen, wozu sie überhaupt in diesen Hörsaal gekommen ist.»
    «Das ist das große Geheimnis, nicht wahr?»
    Auf dem Tisch stand eine Leselampe mit Schirm, und er stand daneben und knipste gedankenverloren das Licht an und aus. «Ja.
    Warum konnte sie das nicht in ihrem eigenen Zimmer machen? Warum ihre Entdeckung riskieren?»
    «Verzeihung, Mylord.»
    «Ja, Bunter?»
    «Könnte dies vielleicht die Ermittlungen weiterbringen?»
    Bunter tauchte unter den Tisch und kam mit einer langen, schwarzen Haarnadel in der Hand wieder zum Vorschein.
    «Du lieber Himmel, Bunter! Das ist wie eine Seite aus einer lange vergessenen Geschichte. Wie viele Leute benutzen solche Dinger?»
    «Oh, heutzutage recht viele», sagte die Dekanin. «Haarknoten sind wieder in Mode gekommen. Ich

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