Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
Vom Netzwerk:
Zielen unterzuordnen. Mir kann nur jeder leid tun, der seinen Prinzipien in die Quere kommt – wie die auch aussehen mögen, und falls er welche hat.»
    Sie trennte sich von den beiden andern und ging mit ernstem Gesicht ins Dozentenzimmer.
    «Merkwürdig», sagte Harriet. «Sie sagt über Peter Wimsey genau das, was ich immer über sie gedacht habe.»
    «Vielleicht hat sie die Geistesverwandtschaft erkannt.»
    «Oder einen würdigen Gegner – das sollte ich wohl nicht sagen.»
    Hier holten Peter und seine Begleiterin sie ein, und die Dekanin ging mit Miss Shaw weiter. Wimsey lächelte Harriet an; ein sonderbares, fragendes Lächeln.
    «Was haben Sie?»
    «Peter – ich fühle mich genau wie Judas.»
    «Sich wie ein Judas vorzukommen gehört zum Beruf. Ich fürchte nur, es ist kein Beruf für einen Gentleman. Sollen wir wie Pilatus unsere Hände in Unschuld waschen und anständige Leute werden?»
    Sie schob die Hand unter seinen Arm.
    «Nein, wir haben jetzt einmal angefangen. Tragen wir die Schmach gemeinsam.»
    «Ach, wird das schön sein! Wir werden hingehen und uns in den Rinnstein setzen wie die Liebenden in diesem Stroheim-Film.»
    Sie fühlte seine Muskeln und Knochen – beruhigend menschlich – unter dem feinen Tuch, und sie dachte: Er und ich, wir gehören zu derselben Welt, und alle diese andern sind die Fremdlinge. Und dann: Hol’s der Kuckuck! Das ist allein unser Kampf – was haben die sich da einzumischen? Aber das war natürlich absurd.
    «Welche Rolle haben Sie mir zugedacht, Peter?»
    «Werfen Sie den Ball zu mir zurück, wenn er aus dem Kreis rollen will. Machen Sie nur von Ihrem verheerenden Talent Gebrauch, bei der Sache zu bleiben und die Wahrheit zu sagen.»
    «Das klingt leicht.»
    «Ist es auch – für Sie. Dafür liebe ich Sie ja. Wußten Sie das nicht? Na ja, aber darüber können wir jetzt nicht lange streiten, sonst wird man noch annehmen, wir hecken etwas zusammen aus.»
    Sie ließ seinen Arm los und trat vor ihm in den Gemeinschaftsraum; sie war mit einemmal verlegen und setzte folglich ein trotziges Gesicht auf. Der Kaffee stand schon auf dem Tisch, um den sich die Professorinnen versammelt hatten und sich bedienten. Sie sah Miss Barton auf Peter zugehen, ein höfliches Erfrischungsangebot auf den Lippen, doch den Funken der Entschlossenheit im Blick. Harriet sorgte sich im Augenblick nicht darum, was Peter zustoßen könnte. Er hatte ihr wieder ein neues Rätsel aufgegeben. Sie besorgte sich einen Kaffee, zündete sich eine Zigarette an und zog sich damit in eine Ecke zurück. Oft schon hatte sie sich ganz unvoreingenommen gefragt, was Peter wohl so an ihr schätzte und offenbar vom ersten Tag an geschätzt hatte, als sie auf der Anklagebank gesessen und um ihr Leben geredet hatte. Jetzt wußte sie es also und fand, daß wohl selten ein langweiligeres Eigenschaftspaar als Grund für Liebe und Verehrung hatte herhalten müssen.
    «Aber ist Ihnen denn wirklich wohl dabei, Lord Peter?»
    «Nein – als Therapie fürs Wohlbefinden würde ich diese Beschäftigung nicht empfehlen. Aber ist Ihr oder mein oder irgend jemandes Wohlbefinden so wichtig?»
    Miss Barton hielt das vermutlich nur für frivoles Gerede; Harriet aber erkannte die unbarmherzige Stimme, die gesagt hatte:
    «Was macht es schon, wenn es weh tut …?» Sollten sie das unter sich ausfechten … Langweilig; aber wenn er meinte, was er sagte, erklärte das sehr vieles. Dies waren Eigenschaften, die man selbst unter widerwärtigsten Umständen erkannte … «Objektivität … Wenn Sie je einen Menschen finden, der Sie deswegen liebt, ist diese Liebe aufrichtig.» Das hatte Miss de Vine gesagt; und Miss de Vine saß jetzt nicht weit von ihr, die hinter dicken Brillengläsern versteckten Augen mit einem neugierigen, abschätzenden Blick auf Peter geheftet.
    Die Gespräche der verschiedenen Grüppchen begannen zu stocken und verstummten. Man setzte sich. Miss Allisons und Miss Stevens’ Stimmen ließen sich laut vernehmen. Sie diskutierten über irgendein verwaltungstechnisches Problem und taten dies hitzig und leidenschaftlich. Sie baten Miss Burrows um ihre Meinung. Miss Shaw wandte sich an Miss Chilperic und machte eine Bemerkung über das Baden am «Spinsters’ Splash». Miss Chilperic antwortete ausführlich – zu ausführlich; ihre Antwort dauerte zu lange und erregte Aufmerksamkeit; sie stockte, wurde verwirrt und verstummte. Miss Lydgate lauschte mit bekümmertem Gesicht Mrs. Goodwin, die ihr eine Anekdote von

Weitere Kostenlose Bücher