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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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dabei.»
    «Wer waren die andern drei, die sie zu ermorden versucht hat?» fragte Harriet. (Sie war nicht gewillt, Miss Barton damit allzuleicht davonkommen zu lassen.)
    «Ein Rechtsanwalt, eine Kollegin von mir und ich selbst. Aber das beweist noch nicht, daß ich Prinzipien hätte. Ich bin durchaus imstande, zu meinem eigenen Vergnügen zu sterben. Wer wäre das nicht?»
    «Ich weiß», sagte die Dekanin. «Es ist schon komisch, daß wir Mord und Hinrichtungen so ungemein ernst nehmen, uns aber beim Autofahren, Schwimmen, Bergsteigen und so weiter so leichtherzig in Gefahr begeben. Ich glaube, wir möchten wirklich alle lieber zum Vergnügen sterben.»
    «Das soziale Prinzip scheint mir also zu sein», meinte Miss Pyke, «daß wir zu unserm eigenen und nicht zu andrer Leute Vergnügen sterben sollten.»
    «Natürlich gestehe ich Ihnen zu», sagte Miss Barton recht zornig, «daß man Morde verhindern und Mörder davon abhalten muß, weiteren Schaden anzurichten. Aber sie sollten nicht bestraft und schon gar nicht getötet werden.»
    «Dann soll man sie wohl unter hohen Kosten in Krankenhäusern unterbringen, zusammen mit anderen untauglichen Exemplaren», meinte Miss Edwards. «Als Biologin muß ich sagen, daß ich einen besseren Verwendungszweck für öffentliche Gelder weiß. Wenn wir die Schwachsinnigen und Krüppel weiter so frei herumlaufen und sich fortpflanzen lassen, machen wir am Ende ganze Völker lebensunfähig.»
    «Miss Schuster-Slatt würde zur Sterilisation raten», warf die Dekanin ein.
    «Ich glaube, das versucht man zur Zeit in Deutschland», sagte Miss Edwards.
    «Hand in Hand mit der Verbannung der Frau an den ihr zukommenden Platz am heimischen Herd», sagte Miss Hillyard.
    «Aber dort richtet man auch sehr viele Leute hin», sagte Wimsey. «Diese Organisationsform könnte Miss Barton also nicht mit allem Drum und Dran übernehmen.»
    Miss Barton protestierte laut gegen jede derartige Unterstellung und verwies erneut auf ihre Überzeugung, daß ihre sozialen Prinzipien sich gegen Gewalt in jeglicher Form richteten.
    «Quatsch!» sagte Miss Edwards. «Sie können kein Prinzip durchsetzen, ohne irgend jemandem Gewalt anzutun. Direkt oder indirekt. Jedesmal, wenn Sie das Gleichgewicht der Natur stören, öffnen Sie der Gewalt die Tür. Und wenn Sie die Natur in Ruhe lassen, haben Sie die Gewalt sowieso schon drin. Ich bin ganz Ihrer Meinung, daß man Mörder nicht hängen sollte – das ist häßlich und verschwenderisch. Aber ich bin auch nicht dafür, sie durchzufüttern und ihnen Obdach zu geben, solange anständige Menschen Not leiden. Ökonomisch vernünftig wäre es, sie für medizinische Versuche herzunehmen.»
    «Um zur weiteren Erhaltung der Untauglichen beizutragen?» fragte Wimsey trocken.
    «Um zur Sicherung wissenschaftlicher Fakten beizutragen», erwiderte Miss Edwards noch trockener.
    «Geben wir uns die Hand», sagte Wimsey. «Jetzt haben wir eine gemeinsame Grundlage gefunden, auf der wir stehen können. Fakten zu sichern, egal was dabei herauskommt.»
    «Auf dieser Grundlage», sagte die Rektorin, «wird Ihre Neugier aber zum Prinzip, Lord Peter. Und ein sehr gefährliches Prinzip dazu.»
    «Aber die Tatsache, daß die Person A die Person B umgebracht hat», fuhr Miss Barton beharrlich fort, «ist noch nicht unbedingt die ganze Wahrheit. Die Provokation, der A ausgesetzt war, sowie sein Gesundheitszustand sind auch Fakten.»
    «Das bestreitet gewiß niemand», sagte Miss Pyke. «Aber man kann dem, der die Fakten ermittelt, nicht gut abverlangen, daß er sich über sein Gebiet hinausbegibt. Wenn wir keine Schlüsse mehr ziehen dürfen, nur weil jemand schlechten Gebrauch davon machen könnte, sind wir wieder in der Zeit Galileis angelangt. Es wäre das Ende aller Entdeckungen.»
    «Nun», meinte die Dekanin, «mir wär’s ganz recht, wenn wir aufhörten, solche Dinge wie Giftgas zu entdecken.»
    «Es ist nichts dagegen einzuwenden, Entdeckungen zu machen », sagte Miss Hillyard. «Aber ist es auch immer ratsam, sie zu veröffentlichen? Im Falle Galileis hat die Kirche –»
    «Da wird Ihnen ein Naturwissenschaftler nie zustimmen», unterbrach Miss Edwards sie. «Tatsachen unterdrücken heißt Unwahrheiten verbreiten.»
    Harriet verlor für ein paar Minuten den Faden der Diskussion, die jetzt ins Allgemeine ging. Daß sie absichtlich in diese Richtung gedrängt worden war, sah sie wohl; sie hatte nur keine Ahnung, worauf Peter hinauswollte. Aber er war offenkundig

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