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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Bemerkung unverzüglich an, und Harriet, die das Streitgespräch in Gefahr sah, außer Kontrolle zu geraten, fand es an der Zeit, den Ball zu fangen und zurückzuwerfen. Sie wußte jetzt, was bezweckt wurde, wenn auch noch nicht, warum.
    «Wenn Sie sich bei Malern nicht einigen können, nehmen Sie jemand andern – zum Beispiel einen Wissenschaftler.»
    «Gegen wissenschaftlichen Kitsch habe ich nichts einzuwenden», sagte Miss Edwards. «Ich meine, ein populärwissenschaftliches Buch muß nicht unbedingt unwissenschaftlich sein.»
    «Solange darin keine Tatsachen verdreht werden», sagte Wimsey. «Aber es könnte noch etwas anderes sein. Um ein konkretes Beispiel zu nehmen – jemand hat einen Roman mit dem Titel Die Suche geschrieben –»
    «C. P. Snow», sagte Miss Burrows. «Eigenartig, daß Sie gerade das erwähnen. Es ist das Buch, das –»
    «Ich weiß», sagte Peter. «Vielleicht ist es mir darum gerade eingefallen.»
    «Ich habe dieses Buch nie gelesen», sagte die Rektorin.
    «Ich ja», sagte die Dekanin. «Es geht darin um einen Mann, der eine wissenschaftliche Laufbahn einschlagen will. Alles läuft gut, bis er gerade in dem Moment, als ihm ein wichtiger leitender Posten angeboten wird, entdeckt, daß er in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung versehentlich einen Fehler gemacht hat. Er hatte die Resultate seines Assistenten nicht nachgeprüft oder so etwas. Jemand kommt dahinter, und er bekommt die Stelle nicht. Und so kommt er zu dem Schluß, daß ihm eigentlich gar nichts an der Wissenschaft lag.»
    «Offensichtlich nicht», sagte Miss Edwards. «Ihm lag nur an dem Posten.»
    «Aber wenn es doch nur ein Versehen war –» meinte Miss Chilperic. «Der springende Punkt», fuhr Wimsey fort, «ist das, was ein älterer Wissenschaftler zu ihm sagt. Er sagt: ‹Das einzige ethische Prinzip, das Wissenschaft möglich gemacht hat, ist, daß jederzeit die Wahrheit gesagt werden muß. Wenn wir irrtümlich aufgestellte falsche Behauptungen nicht ahnden, öffnen wir Tür und Tor für absichtlich falsche Behauptungen. Und eine bewußte Verdrehung von Tatsachen ist das schwerste Verbrechen, das ein Wissenschaftler überhaupt begehen kann.› In diesem Sinne jedenfalls. Ich habe den Wortlaut vielleicht nicht korrekt zitiert.»
    «Nun, das stimmt natürlich. Für eine bewußte Fälschung kann es keine Entschuldigung geben.»
    «Bewußte Fälschungen haben doch sowieso keinen Sinn», meinte die Quästorin. «Was hätte einer damit zu gewinnen?»
    «Es ist aber schon vorgekommen», sagte Miss Hillyard, «und zwar oft. Vielleicht um in einem Streit die Oberhand zu behalten. Oder aus Ehrgeiz.»
    «Was für Ehrgeiz?» rief Miss Lydgate. «Was für Befriedigung kann denn jemand aus einem Ruf beziehen, von dem er weiß, daß er ihn nicht verdient? Das wäre doch schrecklich.»
    Ihre unschuldige Entrüstung gefährdete den Ernst der Diskussion.
    «Was ist mit den gefälschten Dekretalien … mit Chatterton … Ossian … Henry Ireland … diesen Pamphleten aus dem neunzehnten Jahrhundert neulich …?»
    «Ich weiß», sagte Miss Lydgate verständnislos. «Ich weiß, daß Leute so etwas tun. Aber warum ? Sie müssen verrückt sein.»
    «Im selben Roman», sagte die Dekanin, «fälscht jemand ein Untersuchungsergebnis – später, meine ich –, um eine Stelle zu bekommen. Und der Mann, der den ursprünglichen Fehler gemacht hatte, findet das heraus. Aber er sagt nichts, weil der andere Mann sehr arm ist und Frau und Kinder zu ernähren hat.»
    «Immer diese Frauen und Kinder!» meinte Peter.
    «Billigt der Autor das?» fragte die Rektorin.
    «Nun», antwortete die Dekanin, «das Buch endet dort, demnach billigt er es wohl.»
    «Aber billigt das jemand von uns hier? Eine falsche Darstellung eines Sachverhalts wird veröffentlicht, und der Mann, der sie berichtigen könnte, läßt sie aus karitativen Erwägungen durchgehen. Würde eine von uns das tun? Da haben Sie Ihren Testfall, Miss Barton, ohne daß hier jemand persönlich davon betroffen ist.»
    «Natürlich kann man so etwas nicht tun», sagte Miss Barton.
    «Nicht für zehn Frauen und fünfzig Kinder.»
    «Nicht für Salomo mit all seinen Frauen und Konkubinen? Ich gratuliere Ihnen, Miss Barton, daß Sie hier so einen schönen, unweiblichen Ton anschlagen. Will niemand ein gutes Wort für die Frauen und Kinder einlegen?»
    («Ich wußte doch, daß er eine Bosheit im Schilde führt», dachte Harriet.)
    «Das möchten Sie gern hören, wie?» meinte Miss

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