Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
Vom Netzwerk:
Kinder hören? Ich meine – angenommen, seine Frau wußte, daß er so etwas für sie getan hatte – wie würde sie wohl dazu stehen?»
    «Das ist eine sehr wichtige Frage», sagte Harriet. «Wahrscheinlich hätte sie vor Scham keine Worte mehr.»
    «Kommt darauf an», wandte die Dekanin ein. «Ich glaube, neun von zehn Frauen wäre das ganz egal.»
    «Eine ungeheuerliche Behauptung», rief Miss Hillyard.
    «Sie meinen, einer Frau bedeute die Ehre ihres Mannes etwas – auch wenn er sie ihretwegen opferte?» fragte Miss Stevens. «Na – ich weiß nicht.»
    «Ich würde meinen», sagte Miss Chilperic und geriet vor Eifer ein wenig ins Stottern, «sie müßte sich vorkommen wie ein Mann, der – ich meine, wäre es nicht so, als ob man von den unmoralischen Einkünften eines anderen lebte?»
    «Wenn Sie gestatten», sagte Peter, «das finde ich ein wenig übertrieben. Der Mann, der das tut – sofern er überhaupt noch zu Empfindungen fähig ist –, läßt sich von anderen Überlegungen leiten, von denen manche nun gar nichts mit Ethik zu tun haben. Aber es ist hochinteressant, daß Sie diesen Vergleich ziehen.» Er sah Miss Chilperic so fest an, daß sie errötete.
    «Vielleicht habe ich da doch etwas Dummes gesagt.»
    «Nein. Aber wenn es den Leuten je einfällt, die Ehre des Geistes mit der Ehre des Körpers gleichzustellen, gibt es eine soziale Revolution, wie sie noch nie da war – und völlig anders als die, die sich zur Zeit vollzieht.»
    Miss Chilperic machte bei dem Gedanken, eine soziale Revolution angeregt zu haben, ein so erschrockenes Gesicht, daß wohl nur das glückliche Eintreten zweier Hausmädchen, die das Kaffeegeschirr abräumen kamen und sie so der Notwendigkeit einer Antwort enthoben, sie daran hinderte, im Erdboden zu versinken.
    «Nun», sagte Harriet, «ich stimme jedenfalls voll mit Miss Chilperic überein. Wenn einer etwas Unehrenhaftes tut und dann noch jemandem sagt, er habe es seinetwegen getan, wäre das doch die schlimmste Beleidigung, die er ihm zufügen könnte. Wie sollte man ihm gegenüber je wieder dasselbe empfinden können wie vorher?»
    «Ja», sagte Miss Pyke, «das müßte wirklich die ganze Beziehung kaputtmachen.»
    «Ach was, Unsinn!» rief die Dekanin. «Wie viele Frauen scheren sich einen Deut um irgend jemandes geistige Integrität? Nur so superkluge Weibsbilder wie wir. Solange der Mann keine Schecks gefälscht oder in die Kasse gegriffen oder etwas getan hat, was ihm gesellschaftlich schadet, werden die meisten Frauen ihn völlig im Recht sehen. Fragen Sie mal die Frau des Metzgermeisters Knochenmark oder die Tochter des Schneidermeisters Zwirn, wieviel Kopfzerbrechen ihnen die Unterschlagung irgendwelcher Fakten in einer modrigen, alten historischen Abhandlung bereiten würde.»
    «Die würden in jedem Fall zu ihren Männern stehen», sagte Miss Allison. «Sie würden sagen: Recht oder Unrecht, er ist mein Mann. Selbst wenn er in die Kasse gegriffen hätte.»
    «Natürlich würden sie das», bestätigte Miss Hillyard. «Das will der Mann ja hören. Der würde sich bedanken für Kritik am eigenen Herd.»
    «Sie meinen, der Mann wünscht sich eine frauliche Frau?» fragte Harriet. «Was ist denn, Annie? Meine Kaffeetasse? Hier, bitte … Eine, die sagt: ‹Je größer die Sünde, desto größer das Opfer – und desto größer folglich die Liebe.› Arme Miss Schuster-Slatt! … Es muß wohl sehr guttun, zu wissen, daß man geliebt wird, egal was man tut.»
    «O ja», sagte Peter mit säuselnder Flötenstimme:
     
    « Und diese sagen: ‹ Mein Ritter nun nicht mehr,
Nicht länger Gottes Ritter › – Du,
Der soviel treuer bist als sie,
Und soviel reiner, besser, wahrer,
wirst ewig zu mir stehen –
     
    William Morris hatte seine Momente, in denen er ein hundertprozentig männlicher Mann war.»
    «Armer Morris!» meinte die Dekanin.
    «Er war damals noch jung», sagte Peter nachsichtig. «Wenn man es sich überlegt, ist es schon komisch, daß Ausdrücke wie ‹männlich› oder ‹weiblich› fast beleidigender sein können als ihr Gegenteil. Beinahe könnte man annehmen, daß die Geschlechtlichkeit eben doch etwas Anstößiges ist.»
    «Kommt alles nur von dieser Bildung», stellte die Dekanin fest, als die Tür sich hinter dem Kaffeegeschirr schloß. «Da sitzen wir hier so schön im Kreis und distanzieren uns von der herzensguten Frau Metzgermeister Knochenmark und dem süßen Fräulein Zwirn –»
    «Ganz zu schweigen», warf Harriet dazwischen, «von diesen

Weitere Kostenlose Bücher