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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Freude Phoebe Tucker hereinkommen und sich eine Portion kalten Braten holen sah. Die beiden taten sich sofort zusammen und setzten sich ans obere Ende eines langen Tisches, der parallel zur Hohen Tafel und rechtwinklig zu den andern Tischen stand. Von dort aus konnten sie den ganzen Saal überblicken, einschließlich der Hohen Tafel und der Servierluken. Während Harriets Blick von einer hingebungsvoll beschäftigten Esserin zur anderen wanderte, fragte sie sich immer wieder: Wer? Welche von all diesen normal und fröhlich aussehenden Frauen hatte gestern abend dieses unschöne Blatt Papier auf den Hof geworfen? Man konnte ja nie wissen; und wenn man nichts wußte, verdächtigte man insgeheim jede, das war das Ärgerliche. Horte ehrwürdigen Friedens – das klang ja ganz gut, doch konnten unter dem bemoosten Stein allerlei Merkwüdigkeiten umherkrauchen. Die Rektorin auf ihrem großen, gedrechselten Stuhl neigte majestätisch den Kopf zu einem Scherz der Dekanin. Miss Lydgate bediente zuvorkommend eine wirklich schon sehr alte Ehemalige, die fast blind war. Sie hatte der alten Dame auf wackligen Beinen die drei Stufen zum Podium hinaufgeholfen, auf dem die Hohe Tafel stand, hatte ihr das Essen besorgt und tat ihr jetzt Salat auf den Teller. Miss Stevens, die Quästorin, und Miss Shaw, die Tutorin für Neue Sprachen, hatten sich dreier weiterer Ehemaliger, reich an Jahren und Verdiensten, angenommen, und ihre Unterhaltung war angeregt und sichtlich erheiternd. Miss Pyke, die Tutorin für Alte Sprachen, diskutierte eifrig mit einer großen, kräftigen Frau, in der Phoebe Tucker eine bedeutende Archäologin erkannt hatte, und in einem flüchtigen Augenblick relativer Stille erscholl Miss Pykes Stimme unerwartet laut: «Der Tumulus von Halos ist doch offenbar eine isolierte Erscheinung. Die Steingräber von Theokotou …» Dann schlug der Lärm wieder über der Diskussion zusammen. Zwei andere Professorinnen, die Harriet nicht kannte (sie waren nach ihrer Zeit gekommen), schienen sich, aus ihren Gesten zu schließen, über Hüte zu unterhalten. Miss Hillyard, die mit ihrer spitzen Zunge die Kolleginnen meist auf Abstand hielt, verzehrte langsam ihr Mahl und überflog dabei eine mitgebrachte Broschüre. Miss de Vine kam spät, setzte sich neben Miss Hillyard und nahm mit abwesender Miene, den Blick ins Leere gerichtet, ihren gekochten Schinken in Angriff.
    Dann die Ehemaligen im eigentlichen Speisesaal – jeder Typ, jedes Alter, jede Bekleidungsvariante. War es diese eigenartige, hängeschultrige Frau in gelbem Dschibbah und Sandalen, die Haare über den Ohren zu Schnecken geflochten? Oder diese untersetzte, lockige Person im Tweedrock mit nach Herrenschnitt aussehender Weste und einem Gesicht wie ein Taxi von hinten? Oder die enggeschnürte, wasserstoffperoxydblonde Sechzigerin, deren Hut besser zu einer achtzehnjährigen Debütantin in Ascot gepaßt hätte? Oder eine dieser unzähligen Frauen mit den resolut heiteren Zügen, die alle den Stempel «Lehrerin» auf der Stirn trugen? Oder diese bieder aussehende Frau unbestimmbaren Alters, die mit der Miene einer Ausschußvorsitzenden am Kopfende ihres Tisches saß? Oder die sonderbare kleine Person, die in ihrem unvorteilhaften rosa Kleid den Eindruck machte, als ob man sie den ganzen Winter achtlos in eine Schublade gestopft und ohne Aufbügeln wieder in Gebrauch genommen hätte? Oder die hübsche, etwa fünfzigjährige und guterhaltene Geschäftsfrau mit den manikürten Händen, die sich soeben in die Unterhaltung einiger Wildfremder einmischte, um ihnen mitzuteilen, daß sie kürzlich einen neuen Frisiersalon «unweit der Bond Street» eröffnet habe? Oder die hochgewachsene, magere Trauerweide in schwarzem Marocain, die aussah wie Hamlets Tante, in Wirklichkeit aber als «Tante Beatrice» für die «Seite der Hausfrau» im Daily Mercury zuständig war? Oder dieses knochige Wesen mit dem länglichen Pferdegesicht, das sich der Wohlfahrtsarbeit verschrieben hatte? Oder womöglich dieses unverwüstlich lustige, strahlende Persönchen mit der rundlichen Figur, hinter der sich die hochgeschätzte Sekretärin eines Staatssekretärs und Vorgesetzte anderer Sekretärinnen verbarg? Die Gesichter kamen und gingen, gleichwie im Traum, alle belebt, alle undurchschaubar.
    Verbannt an einen der unteren Tische des Speisesaals saßen ein paar Studentinnen, die wegen der mündlichen Prüfungen in Oxford geblieben waren. Sie redeten pausenlos miteinander und ignorierten

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