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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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geflissentlich diese Versammlung komischer alter Schachteln, die da über ihr College hergefallen war und ihnen vor Augen führte, wie sie selbst in zehn oder zwanzig oder auch in dreißig Jahren einmal sein würden. Harriet fand das Bild, das sie boten, nicht eben vorteilhaft: Man sah ihnen so recht das Trimesterende an. Neben einem rötlichblonden Mädchen mit eigenartig schüchternem Gesicht, blassen Augen und rastlosen Fingern saß eine dunkelhaarige Schönheit, für deren Gesicht, wenn es ein wenig Leben gehabt hätte, Männer in den Krieg gezogen wären; daneben saß ein unfertig aussehendes junges Ding mit einfältigem, sehr schlecht zurechtgemachtem Gesicht, dessen Leidensmiene von stets erfolglosem Ringen um Anerkennung zeugte. Am interessantesten in der ganzen Clique wirkte ein Mädchen, das ein Gesicht hatte wie ein flackerndes Feuer und mit aufreizender Geschmacklosigkeit gekleidet war; aber sicher würde sie einmal die Welt in Händen halten, zum Guten oder Bösen. Die übrigen waren unscheinbar, noch unausgeprägt – aber es sind ja von allen Menschen gerade die Unscheinbaren, dachte Harriet, aus denen man am schwersten klug wird. Man merkte kaum etwas von ihrem Vorhandensein, bis – peng! – irgend etwas plötzlich explodierte wie eine Wasserbombe und man nur noch erstaunt die absonderlichsten Trümmer aus den Wellen bergen konnte.
    So brodelte es im Speisesaal, und teilnahmslos schauten aus den Servierluken die Dienstmädchen zu. Und Gott allein weiß, was sie von uns allen halten, dachte Harriet.
    «Du heckst wohl wieder einen besonders raffinierten Mord aus, wie?» drang Phoebes Stimme ihr ins Ohr. «Oder ein kompliziertes Alibi? Ich habe dich schon dreimal um Essig und Öl gebeten.»
    «Entschuldige», sagte Harriet und reichte Phoebe das Gewünschte. «Ich mußte nur gerade über die Unergründlichkeit der menschlichen Physiognomie nachdenken.» Sie zögerte und war drauf und dran, Phoebe von der häßlichen Zeichnung zu erzählen, aber ihre Freundin fragte sie gerade etwas anderes, und so ging der Augenblick vorbei.
    Aber die Episode hatte sie verwirrt und aus dem Lot gebracht. Als sie später durch den leeren Speisesaal ging, blieb sie vor dem Bild jener Mary Gräfin von Shrewsbury stehen, der zu Ehren das College gegründet worden war. Das Gemälde war eine gut gemachte, moderne Kopie des Bildes, das im St. John’s College in Cambridge hing, und die eigenartigen, energischen Züge dieses Gesichts mit dem launischen Mund und dem versteckten, verschlossenen Blick hatten schon immer eine merkwürdige Faszination auf sie ausgeübt – sogar schon in ihren Studententagen, einer Zeit, in der die Porträts toter und vergangener Größen, an öffentlichen Plätzen zur Schau gestellt, mehr bissige Kommentare als ehrfürchtige Betrachtung auszulösen pflegten. Sie wußte nicht und hatte sich auch nie dafür interessiert, wie es dazu gekommen war, daß sich das Shrewsbury College so eine furchterregende Schutzpatronin zugelegt hatte. Bess of Hardwicks Tochter war in der Tat eine große Intellektuelle gewesen, aber auch ein rechter Plagegeist: unbeherrschbar von den Männern ihrer Umgebung, furchtlos selbst im Angesicht des Towers, verächtlich schweigsam vor dem Geheimen Kronrat, eine störrische Rekusantin, unerschütterliche Freundin, unversöhnliche Feindin und eine Frau, deren Ausfälligkeiten selbst zu einer Zeit etwas Besonderes waren, als kaum jemand unter allzugroßer Zurückhaltung litt. Sie mußte wahrlich der Inbegriff all jener erschreckenden Eigenschaften gewesen sein, die man studierten Frauen gemeinhin nachsagt. Ihr Mann, der «große und ruhmreiche Earl of Shrewsbury», hatte für seinen häuslichen Frieden einen schweren Preis bezahlen müssen, denn wie Bacon sagte, stand er «unter einer höheren Regie, nämlich der Lady of Shrewsbury». Das war natürlich ein hartes Urteil. Ein entmutigender Aspekt für Miss Schuster-Slatts Ehekampagne; war doch die Schlußfolgerung, daß eine große Frau entweder, zu Miss Schuster-Slatts Bestürzung, ehelos zu sterben oder zum Heiraten einen noch größeren Mann zu finden habe. Und das engte die Auswahlmöglichkeiten großer Frauen natürlich stark ein, denn mochte es auf der Welt auch noch so sehr von großen Männern wimmeln, so beherbergte sie doch mittelmäßige und gewöhnliche Männer in noch viel größerer Zahl. Ein großer Mann konnte dagegen heiraten, wo und wen er wollte, für ihn gab es keine Beschränkung auf große Frauen; im

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