Aufruhr in Oxford
müssen. Wir werden uns daher fragen müssen, wer von dem relativ kleinen Personenkreis in den drei genannten Kategorien als Täterin in Frage kommen könnte.»
«Es ist doch sicher viel wahrscheinlicher, daß es sich um eines der Hausmädchen handelt als um eine von uns», sagte Miss Burrows. «Ich kann mir kaum vorstellen, daß eine Angehörige dieses Kollegiums zu so etwas Abscheulichem fähig wäre. Wohingegen es in dieser Klasse von Menschen –»
«Diese Bemerkung halte ich für unangebracht», sagte Miss Barton. «Ich finde ganz entschieden, daß wir es uns nicht erlauben dürfen, uns von Klassenvorurteilen irgendwelcher Art blenden zu lassen.»
«Unsere Hausmädchen sind, soweit ich das beurteilen kann, alle charakterlich einwandfrei», sagte die Quästorin, «und Sie dürfen sicher sein, daß ich bei der Auswahl unseres Personals große Sorgfalt walten lasse. Die Putzfrauen und andere, die nur tagsüber hierherkommen, sind natürlich von jedem Verdacht ausgenommen. Außerdem vergessen Sie bitte nicht, daß die Mehrzahl unserer Hausmädchen in einem eigenen Gebäudeflügel schläft. Dessen Außentür ist nachts verschlossen, und die Fenster im Erdgeschoß sind vergittert. Außerdem wird der Hintereingang durch ein eisernes Tor von den übrigen Collegegebäuden abgetrennt. Die einzige mögliche Verbindung bei Nacht würde durch die Kantine führen, die aber auch verschlossen ist. Die Schlüssel hat das erste Mädchen. Carrie ist schon fünfzehn Jahre bei uns und dürfte als vertrauenswürdig gelten.»
«Ich habe nie verstanden», erklärte Miss Barton bissig, «warum diese armen Hausmädchen nachts eingesperrt werden wie gefährliche wilde Tiere, während alle andern nach Belieben kommen und gehen können. Aber wie die Dinge liegen, ist das im Moment wohl gar von Vorteil für sie.»
«Der Grund dafür», antwortete die Quästorin, «ist, wie Sie sehr wohl wissen, daß am Lieferanteneingang kein Pförtner sitzt und Unbefugte ohne Schwierigkeiten über die Außentore klettern können. Und ich darf Sie daran erinnern, daß alle Erdgeschoßfenster, die direkt zur Straße oder zum Küchenhof liegen, vergittert sind, auch die der Dozentinnen. Zur Kantine darf ich sagen, daß sie verschlossen wird, damit die Studentinnen nicht die Speisekammer plündern, wie es zu Zeiten meiner Vorgängerin oft geschehen ist, dem Vernehmen nach zumindest. Die Maßnahmen richten sich ebenso gegen die Collegemitglieder wie gegen die Hausmädchen.»
«Wie steht es mit den Hausmädchen in den anderen Gebäuden?» fragte die Schatzmeisterin.
«In jedem Haus wohnen vielleicht zwei oder drei», antwortete die Quästorin. «Das sind alles zuverlässige Frauen, die schon vor meiner Zeit da waren. Ich habe die Liste im Moment nicht hier, aber ich glaube, es sind drei im Tudor, drei oder vier im Queen Elizabeth und je eine in vier kleinen Zimmern um den Neuen Hof. Im Burleigh wohnen nur Studentinnen. Hinzu kommt dann noch das Hauspersonal der Rektorin, außerdem das Mädchen vom Krankenrevier, das dort bei der Sanitäterin schläft.»
«Ich werde mich davon überzeugen», sagte Dr. Baring, «daß niemand aus meinem Haushalt in Frage kommt. Sie, Quästorin, tun am besten dasselbe im Krankenrevier. Und dann sollten die im College wohnenden Hausmädchen in ihrem eigenen Interesse einer gewissen Aufsicht unterworfen werden.»
«Ich muß schon sagen, Dr. Baring –» begann Miss Barton hitzig «In ihrem eigenen Interesse», wiederholte die Rektorin mit ruhigem Nachdruck. «Ich bin ganz mit Ihnen der Meinung, Miss Barton, daß ein Verdacht gegen die Hausmädchen nicht begründeter ist als jeder Verdacht gegen eine von uns. Aber das spricht um so mehr dafür, daß sie sofort und vollständig entlastet werden sollten.»
«Auf jeden Fall», sagte die Quästorin.
«Was die Methode angeht», fuhr die Rektorin fort, «nach der diese Überwachung funktionieren soll, sowohl bei den Hausmädchen wie bei allen andern, bin ich der Ansicht, daß so wenige Personen wie möglich darüber Bescheid wissen sollten. Vielleicht hat Miss Vane da einen guten Vorschlag, den sie im Vertrauen mir oder …»
«Eben», sagte Miss Hillyard grimmig. «Wem? Wie ich es sehe, kann niemand von uns ins Vertrauen gezogen werden.»
«Das ist leider nur zu wahr», sagte die Rektorin, «und dasselbe gilt auch für mich. Ohne betonen zu müssen, daß ich zum Lehrkörper dieses College, insgesamt wie zu jeder einzelnen, größtes Vertrauen habe, bin ich doch der Meinung,
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