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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Bibliothek?»
    «Das ist ein sehr schöner Saal, nicht wahr, Madam? Aber ich finde es schade, wenn so ein großes Haus nur dafür dasein soll, daß Frauen Bücher darin studieren. Ich weiß nicht, was Mädchen mit Büchern wollen. Daraus lernen sie nicht, wie man eine gute Frau wird.»
    «Was für schreckliche Ansichten!» sagte Harriet. «Wie sind Sie nur dazu gekommen, eine Stelle in einem Frauencollege anzunehmen, Annie?»
    Das Gesicht des Hausmädchens verfinsterte sich. «Nun, ich habe einiges durchgemacht, Madam. Ich mußte nehmen, was ich bekam.»
    «Natürlich; das war ja auch nur ein Scherz. Gefällt Ihnen die Arbeit hier?»
    «Die ist schon in Ordnung. Aber einige von diesen klugen Damen sind ein bißchen merkwürdig, finden Sie nicht, Madam? Komisch, meine ich. Kein Herz im Leib.»
    Harriet erinnerte sich, daß es gewisse Mißverständnisse mit Miss Hillyard gegeben hatte.
    «O nein», sagte sie energisch. «Natürlich sind sie alle sehr beschäftigt und haben wenig Zeit für andere Interessen. Aber sie haben alle ein sehr gutes Herz.»
    «Ja, Madam; sie meinen es sicher alle gut. Aber ich muß immer daran denken, was in der Bibel steht: ‹Das große Wissen macht dich rasend.› Es ist nicht recht.»
    Harriet sah ruckartig auf und erwischte einen merkwürdigen Ausdruck in den Augen des Hausmädchens.
    «Was meinen Sie damit, Annie?»
    «Ach, gar nichts, Madam. Nur daß hier manchmal komische Dinge vorgehen, aber als Gast wissen Sie natürlich nichts davon, und es steht mir auch nicht zu, darüber zu reden – ich bin ja nur noch ein Dienstmädchen.»
    «Jedenfalls», sagte Harriet erschrocken, «würde ich an Ihrer Stelle nichts dergleichen gegenüber Außenstehenden oder Besuchern erwähnen. Wenn Sie sich über etwas zu beklagen haben, sollten Sie mit der Quästorin oder der Rektorin reden.»
    «Ich kann mich über nichts beklagen, Madam. Aber Sie haben vielleicht schon von den häßlichen Ausdrücken gehört, die an den Wänden geschrieben standen, und von Sachen, die auf dem Hof verbrannt wurden – also, darüber hat ja auch was in der Zeitung gestanden. Nun, es ist doch so, Madam, daß all das passiert ist, seit eine bestimmte Person in diesem College ist.»
    «Welche Person?» fragte Harriet streng.
    «Eine von den gelehrten Damen, Madam. Na ja, vielleicht sage ich besser nichts mehr darüber. Sie schreiben Detektivromane, nicht wahr, Madam? Jedenfalls kann man in der Vergangenheit dieser Dame bestimmt etwas finden, verlassen Sie sich darauf. Das sagen zumindest viele hier. Und es ist nicht schön für unsereins, mit so einer im selben Haus zu wohnen.»
    «Ich bin fest überzeugt, daß Sie sich irren, Annie; jedenfalls würde ich mich sehr in acht nehmen, solche Geschichten zu verbreiten. Aber jetzt gehen Sie besser wieder in den Speisesaal; man wird Sie dort wohl brauchen.»
    So redeten also die Dienstboten. Es handelte sich natürlich um Miss de Vine; sie war die «gelehrte Dame», deren Ankunft im College mit den Störungen zusammengefallen war – genauer zusammengefallen war, als Annie wissen konnte, falls sie nicht auch bei der Jahresfeier diese Zeichnung im Hof gesehen hatte. Eine sonderbare Frau, diese Miss de Vine, hinter deren beunruhigendem Blick sich zweifellos allerlei Erfahrungen verbargen. Aber Harriet mochte sie eigentlich, und gewiß sah sie nicht in dem Sinne verrückt aus, wie die «Giftspritze» verrückt sein mußte; obwohl es sicher keine Überraschung gewesen wäre, zu erfahren, daß irgendwo auch ein fanatischer Zug in ihr steckte. Was hatte sie übrigens letzte Nacht getan? Sie hatte zur Zeit ein Zimmer im Queen-Elizabeth-Bau; jetzt noch ein Alibi für sie nachzuweisen, war vermutlich kaum mehr möglich. Miss de Vine – na ja! Man mußte sie wohl auf das gleiche Fundament stellen wie alle andern.
     
    Die Eröffnung der Bibliothek ging ohne Zwischenfall vonstatten. Der Kanzler schloß die Haupteingangstür mit dem goldenen Schlüssel auf, ohne zu ahnen, daß derselbe Schlüssel in der Nacht davor schon unter sehr merkwürdigen Umständen in Aktion getreten war. Harriet beobachtete aufmerksam die Mienen der versammelten Professorinnen und Hausmädchen; keine von ihnen verriet irgendwelche Anzeichen der Überraschung, Verärgerung oder Enttäuschung über das ordentliche Aussehen der Bibliothek. Miss Hudson war auch da und sah fröhlich und unbesorgt drein; auch Miss Cattermole war da. Sie sah aus, als ob sie geweint hätte, und Harriet fiel auf, daß sie für sich allein in

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