Aufruhr in Oxford
unserer Besprechung gewesen sein. Sie sagt auch, daß sie es in diesem Trimester genauer nehme als sonst, weil es im letzten Trimester wegen derselben Sache ein paar kleine Scherereien gegeben hat.»
«Nun – ich sehe, wir haben keine Beweise gegen Miss Hudson. Ich glaube aber, sie ist eine recht lebhafte junge Dame; es könnte also nicht schaden, ein Auge auf sie zu haben. Sie ist sehr tüchtig; aber ihre Familie gehört nicht gerade zu den vornehmsten, und ich könnte mir schon vorstellen, daß sogar diese unanständigen Ausdrücke, die in den – äh – Mitteilungen vorkommen, für sie noch lustig sind. Ich sage Ihnen das nicht, um Sie gegen dieses Mädchen einzunehmen, sondern nur als Hinweis, falls dieser für Sie irgendeinen informatorischen Wert besitzt.»
«Danke. Nun denn, Dr. Baring, wenn Sie keine Möglichkeit sehen, Hilfe von außen zu holen, schlage ich vor, daß ich etwa für die Dauer einer Woche im College bleibe, vorgeblich um Miss Lydgate bei ihrem Buch zu helfen und ein paar eigene Recherchen in der Bodleiana zu betreiben. Ich könnte dann hier noch einige weitere Nachforschungen betreiben. Wenn bis zum Trimesterende nichts Greifbares dabei herausgekommen ist, glaube ich wirklich, daß die Einstellung einiger Berufsdetektive nicht mehr zu umgehen sein wird.»
«Das ist ein sehr großmütiges Angebot», sagte die Rektorin.
«Wir werden Ihnen alle überaus dankbar sein.»
«Ich sollte Sie noch darauf aufmerksam machen», sagte Harriet, «daß die eine oder andere Dozentin mich nicht akzeptieren wird.»
«Das mag es noch ein wenig schwieriger machen. Aber wenn Sie bereit sind, im Interesse des College diese Unannehmlichkeit auf sich zu nehmen, kann das unsere Dankbarkeit nur noch erhöhen. Ich kann nicht deutlich genug betonen, wie wichtig es ist, jedes öffentliche Aufsehen zu vermeiden. Nichts könnte dem College im besonderen und dem Frauenstudium im allgemeinen abträglicher sein als gehässiger und unrichtiger Tratsch in der Presse. Die Studentinnen scheinen sich bisher sehr loyal zu verhalten. Wenn eine von ihnen indiskret gewesen wäre, hätten wir inzwischen bestimmt davon gehört.»
«Was ist mit Miss Flaxmans Freund am New College?»
«Sowohl er wie Miss Flaxman haben sich sehr gut benommen. Zuerst wurde das Ganze natürlich als rein persönliche Angelegenheit verstanden. Als die Situation ernster wurde, habe ich mit Miss Flaxman gesprochen und ihre Versicherung erhalten, daß sie und ihr Verlobter die Sache für sich behalten werden, bis sie richtig aufgeklärt ist.»
«Verstehe», sagte Harriet. «Nun, wir müssen tun, was wir können. Eines möchte ich noch vorschlagen, nämlich daß einige der Korridorlampen nachts anbleiben. Es ist schon schwer genug, so einen großen Gebäudekomplex bei Licht im Auge zu behalten; bei Dunkelheit ist es unmöglich.»
«Das ist sehr vernünftig», antwortete die Rektorin. «Ich werde mit der Quästorin darüber sprechen.»
Und mit dieser unbefriedigenden Regelung mußte Harriet sich wohl oder übel begnügen.
7. Kapitel
O liebste Cloris, gräm dich nicht,
Laß Furien dich nicht schrecken;
Die tollen Weiber mögen sich
In höll’schem Stolze recken.
Laß nicht zu ihrer Lüste Nacht
Dein edles Herz sich zwingen,
Da sie kein Ratschluß besser macht
Und nicht der Götter Grimmen.
MICHAEL DRAYTON
Es erregte einiges Interesse in der Öffentlichkeit, daß Harriet Vane, die bekannte Kriminalautorin, ein paar Wochen im Shrewsbury College wohnen würde, um in der Bodleiana Nachforschungen über Leben und Werk von Sheridan Lefanu anzustellen. Der Vorwand war einigermaßen plausibel, denn Harriet sammelte nebenbei tatsächlich Material für eine Studie über Lefanu, wenn auch die Bodleiana vielleicht nicht die ideale Quelle dafür war. Aber irgendein Grund mußte für ihre Anwesenheit angegeben werden, und Oxford ist ja so gern bereit, zu glauben, die Bodleiana sei der Nabel des Gelehrtenuniversums. In den Periodika fand sie auch genug Verweise, um auf freundliche Erkundigungen nach dem Fortgang ihrer Arbeit eine optimistische Antwort geben zu können; und wenn sie in Wirklichkeit bei Tage oft in Duke Humphreys Armen schlummerte, um die Stunden wettzumachen, die sie nachts in den Gängen herumspionierte, war sie gewiß nicht der einzige Mensch in Oxford, der die Atmosphäre von altem Leder und Zentralheizung schlaffördernd fand.
Zugleich verbrachte sie manche Stunde damit, Ordnung in Miss Lydgates chaotische Umbruchbögen zu bringen. Die
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