Aufruhr in Oxford
tapezieren und dann – ach du meine Güte! Ich weiß nicht, woher wir das Terpentin nehmen sollen, falls die Maler nicht genug übriggelassen haben. Wir brauchen doch eine ganze Badewanne voll. Aber Padgett wird das schon machen.»
«Ich laufe gleich mal hin und hole ihn», sagte Harriet, «und bei der Gelegenheit bringe ich auch Miss Burrows mit. Wir müssen diese Bücher wieder an ihren Platz stellen. Wieviel Uhr ist es? Fünf vor vier. Ich glaube, es ist zu schaffen. Halten Sie hier die Stellung, bis ich wieder da bin?»
«Ja. Ach so, und Sie finden den Haupteingang jetzt offen. Ich habe zum Glück einen Extraschlüssel. Einen schönen vergoldeten Schlüssel – alles für Lord Oakapple. Aber für die andere Tür werden wir einen Schlosser brauchen, falls die Bauarbeiter nicht noch einen Schlüssel haben.»
Das Bemerkenswerteste an diesem bemerkenswerten Morgen war Padgetts Unerschütterlichkeit. Auf Harriets dringendes Läuten erschien er in einem schönen gestreiften Pyjama und nahm ihre Instruktionen mit stoischer Gelassenheit entgegen.
«Die Dekanin läßt Ihnen ausrichten, Padgett, daß uns jemand in der Neuen Bibliothek einen sehr häßlichen Streich gespielt hat.»
«So, was denn, Miss?»
«Der ganze Saal ist auf den Kopf gestellt, und die Wände sind mit ordinären Wörtern und Bildern beschmiert.»
«Sehr ärgerlich, Miss.»
«Mit brauner Farbe.»
«Wie unangenehm, Miss.»
«Das muß alles sofort weggemacht werden, bevor es jemand sieht.»
«Sehr richtig, Miss.»
«Und dann brauchen wir die Tapezierer oder sonst jemanden, der die Wände überklebt oder übermalt, bevor der Kanzler kommt.»
«Sehr wohl, Miss.»
«Ob Sie das wohl schaffen, Padgett?»
«Überlassen Sie das nur mir, Miss.»
Harriets nächste Aufgabe war, Miss Burrows zu holen, die die Nachricht mit lauten Äußerungen der Empörung entgegennahm.
«Wie abscheulich! Und Sie wollen sagen, daß sämtliche Bücher noch einmal eingeordnet werden müssen? Jetzt? O Gott, natürlich – da hilft wohl alles nichts. Welch ein Segen, daß ich den Chaucer-Folioband und die andern Kostbarkeiten noch nicht in die Vitrinen gelegt habe. Herrgott!»
Die Bibliothekarin stieg aus dem Bett. Harriet besah sich ihre Füße. Sie waren völlig sauber. Aber es hing so ein komischer Geruch im Zimmer. Nach wenigen Augenblicken hatte sie die Quelle in der Nähe des Abfalleimers ausgemacht.
«Sagen Sie mal – ist das Terpentin?»
«Ja», antwortete Miss Burrows, während sie mit ihren Strümpfen kämpfte. «Ich hab’s aus der Bibliothek mitgebracht. Beim Hantieren mit den Dosen und so weiter hatte ich mir die Hände mit Farbe bekleckst.»
«Könnten Sie es mir mal ausleihen? Wir mußten nämlich durchs Fenster einsteigen, über einen frisch gestrichenen Heizkörper.»
«Natürlich, gern.»
Harriet ging nachdenklich hinaus. Wieso hatte Miss Burrows die Terpentinkanne extra mit hierher in den Neuen Hof gebracht, wo sie die Farbe doch gleich in der Bibliothek hätte entfernen können? Aber sie konnte sich gut vorstellen, daß jemand, der Farbe von seinen Füßen entfernen wollte, nachdem er bei schmutzigem Tun gestört worden war, sich nur noch die Kanne schnappen und sich aus dem Staub machen würde.
Dann kam ihr ein neuer Gedanke. Die Übeltäterin konnte die Bibliothek nicht barfuß verlassen haben. Sie hatte ihre Pantoffeln wohl wieder angezogen. Wenn man Pantoffeln über farbverschmierte Füße zog, mußte den Pantoffeln hinterher etwas anzusehen sein.
Sie begab sich in ihr eigenes Zimmer zurück und zog sich an. Dann ging sie wieder in den Neuen Hof. Miss Burrows war schon fort. Ihre Pantoffeln standen neben dem Bett. Harriet untersuchte sie millimeterweise, innen und außen, aber es war keine Farbe daran.
Auf dem Rückweg überholte sie Padgett. Er ging, in jeder Hand einen großen Kanister Terpentin, gemessen über den Rasen.
«Wo haben Sie denn das aufgetrieben, Padgett, so früh am Morgen?»
«Na ja, Miss Mullins ist mit dem Motorrad losgefahren und hat einen Bekannten von ihm rausgeklopft, der ein Farbengeschäft hat und darüber wohnt, Miss.»
So einfach war das.
Einige Zeit später gingen Harriet und die Dekanin, beide sittsam bekleidet und talarumhüllt, zufällig hinter Padgett und dem Malermeister an der Ostseite des Queen-Elizabeth-Baus entlang.
«Die jungen Damen», hörte man Padgett sagen, «müssen ihren Ulk treiben, genau wie die jungen Herren.»
«In meiner Jugend», antwortete der Malermeister, «waren
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