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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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junge Damen junge Damen, und die jungen Herren waren junge Herren. Wenn du verstehst, was ich meine.»
    «Was dieses Land mal braucht», sagte Padgett, «ist ein Hitler.»
    «Richtig», sagte der Malermeister. «Die Mädchen sollen daheim bleiben, ’nen komischen Posten hast du hier schon, Kollege. Was warst du eigentlich, bevor du hier in den Hühnerstall kamst?»
    «Kamelpfleger im Zoo. War auch’n interessanter Beruf.»
    «Warum hast du ihn drangegeben?»
    «Blutvergiftung. So’n Biest hat mich in den Arm gebissen», sagte Padgett. «War’n Weibchen.»
    «Aha!» sagte der Malermeister.
     
    Bis Lord Oakapple eintraf, hatte die Bibliothek dem Auge nichts Anstößiges mehr zu bieten, nur daß die oberen Wandabschnitte noch ein wenig feucht und streifig aussahen, wo die Tapete ungleichmäßig antrocknete. Die Scherben waren aufgefegt und die Farbflecke vom Fußboden aufgewischt worden; zwanzig Fotografien, die in irgendeinem Schrank gelegen hatten, ersetzten das Kolosseum und den Parthenon; die Bücher standen wieder auf den Regalen, und in den Vitrinen lagen ordnungsgemäß der Chaucer-Folioband, ein Shakespeare-Frühdruck, drei Keimscott-Ausgaben von William Morris, eine von Galsworthy signierte Ausgabe von The Man of Property und der bestickte Handschuh der Gräfin von Shrewsbury.
    Die Dekanin schwirrte um den Kanzler herum wie eine Henne um ihr Küken, halbtot vor Angst, daß eine unschickliche Botschaft aus seiner Serviette flattern oder unerwartet aus den Falten seiner Gewänder zum Vorschein kommen könnte; und als er nach dem Mittagessen im Dozentenzimmer einen Packen Merkzettel aus der Tasche nahm und mit verwundert gerunzelter Stirn durchblätterte, wurde die Spannung so unerträglich, daß sie fast die Zuckerschale hätte fallen lassen. Es stellte sich jedoch heraus, daß er lediglich ein griechisches Zitat vermißt hatte. Die Rektorin legte, obwohl ihr die Geschichte mit der Bibliothek bekannt war, die gewohnte Gelassenheit an den Tag.
    Harriet sah von alldem nichts. Sie verbrachte die Zeit, nachdem die Maler ihr Werk getan hatten, in der Bibliothek, beobachtete die Bewegungen aller, die hereinkamen oder hinausgingen, und achtete darauf, daß sie nichts Unerfreuliches zurückließen.
    Aber der Poltergeist hatte offenbar seinen Pfeil verschossen. Man brachte der selbsternannten Wächterin einen kalten Imbiß. Er war mit einer Serviette zugedeckt, doch unter dieser kam nichts zum Vorschein als ein Teller Schinkensandwichs und ähnliche harmlose Dinge. Harriet erkannte das Hausmädchen wieder.
    «Sie sind doch Annie, nicht wahr? Arbeiten Sie jetzt in der Küche?»
    «Nein, Madam. Ich bediene im Speisesaal und im Dozentenzimmer.»
    «Was machen denn Ihre kleinen Mädchen? Ich glaube, Miss Lydgate hat erzählt, daß Sie zwei Töchterchen haben.»
    «Ja, Madam. Vielen Dank für die Nachfrage.» Annies Gesicht strahlte vor Freude. «Es geht ihnen sehr gut. Oxford bekommt ihnen, nachdem wir davor in einer Industriestadt gewohnt haben. Mögen Sie Kinder gern, Madam?»
    «O ja», sagte Harriet. In Wahrheit hatte sie nicht viel für Kinder übrig, aber das kann man denen, die damit gesegnet sind, ja nicht so einfach ins Gesicht sagen.
    «Sie sollten heiraten und selbst welche haben, Madam. Ach Gott – das hätte ich nicht sagen sollen. Es steht mir nicht zu. Aber mir kommt es immer so furchtbar vor, wenn ich alle diese unverheirateten Damen hier zusammenleben sehe. Das ist doch nicht natürlich, oder?»
    «Nun, Annie, das ist Geschmacksache. Und man muß ja auch warten, bis der Richtige kommt.»
    «Das ist sehr wahr, Madam.» Harriet erinnerte sich plötzlich, daß Annies Mann verrückt geworden war oder Selbstmord begangen hatte oder so etwas ähnlich Trauriges, und fragte sich, ob dieser Gemeinplatz hier angebracht gewesen war. Aber Annie schien ganz damit einverstanden zu sein. Sie lächelte wieder; sie hatte große, helle blaue Augen, und nach Harriets Eindruck mußte sie einmal recht hübsch gewesen sein, bevor sie so abgemagert war und so sorgenvoll dreinblickte. «Ich hoffe jedenfalls, daß für Sie bald der Richtige kommt – oder sind Sie vielleicht schon verlobt?»
    Harriet runzelte die Stirn. Diese Frage gefiel ihr nicht besonders, und sie hatte schon gar keine Lust, ihre Privatangelegenheiten mit dem Collegepersonal zu diskutieren. Aber hinter der Frage schien keine unverschämte Absicht zu stecken, und so antwortete sie freundlich: «Noch nicht; aber man weiß ja nie. Wie gefällt Ihnen die Neue

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