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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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daß Sie gekommen sind.»
    Harriet fragte ihn, ob er böse verletzt sei.
    «Na ja, könnte schlimmer sein. Ich schätze, Onkel Peter wäre um ein Haar drangewesen, aber es sind nur ein paar Kopfwunden und eine ausgerenkte Schulter. Und ein Schock und Prellungen und so weiter. Viel weniger, als ich verdient hätte. Bleiben Sie bei mir und unterhalten Sie mich ein bißchen. Es ist so langweilig, hier allein herumzuliegen, und dann habe ich nur noch ein Auge, und aus dem kann ich auch nichts sehen.»
    «Bekommen Sie vom Reden kein Kopfweh?»
    «Das kann nicht mehr schlimmer werden, als es schon ist. Und Sie haben so eine hübsche Stimme. Seien Sie so nett und bleiben Sie noch etwas.»
    «Ich habe Ihnen aus dem College einen Brief mitgebracht.»
    «Wird wohl wieder ’ne Mahnung sein.»
    «Nein, er kommt aus Rom.»
    «Onkel Peter! Ach du meine Güte! Am besten erfahre ich das Schlimmste gleich.»
    Sie drückte ihm den Brief in die linke Hand und sah ihn mit den Fingern über das große Siegel fahren.
    «Hui! Siegellack und Familienwappen. Was das bedeutet, weiß ich. Onkel Peter macht auf unnahbar.»
    Er riß ungeduldig an dem festen Umschlag herum.
    «Soll ich ihn öffnen?»
    «Ja, bitte. Und – wissen Sie was, seien Sie ein Engel und lesen Sie ihn mir vor. Selbst für zwei gesunde Augen ist seine Klaue ziemlich anstrengend.»
    Harriet holte den Brief aus dem Umschlag und warf einen kurzen Blick auf die einleitenden Worte.
    «Das sieht aber ziemlich privat aus.»
    «Besser Sie als die Krankenschwester. Außerdem kann ich es mit ein bißchen weiblicher Sympathie sicher eher ertragen. Sagen Sie – liegt sonst nichts bei?»
    «Nein, nichts.»
    Der Patient stöhnte.
    «Onkel Peter zeigt die Zähne. Jetzt ist alles aus. Wie fängt der Brief denn an? Wenn da ‹Gherkins› oder ‹Jerry› oder schon ‹Gerald› steht, gibt’s noch Hoffnung.»
    «Da steht: ‹Mein lieber Saint-George›.»
    «Große Neune! Dann ist er wirklich sauer. Und unterzeichnet mit seinen sämtlichen Anfangsbuchstaben, wie?»
    Harriet drehte den Brief um.
    «Unterschrieben mit seinen sämtlichen Namen, ausgeschrieben.»
    «Gnadenloses Ungeheuer! Wissen Sie, ich hatte ja das Gefühl, daß er es nicht besonders gut aufnehmen würde. Weiß der Teufel, was ich jetzt machen soll.»
    Er wirkte so krank, daß Harriet besorgt meinte:
    «Wollen wir nicht lieber bis morgen warten?»
    «Nein. Ich muß wissen, woran ich bin. Nur zu. Bringen Sie’s dem kleinen Jungen schonend bei. Singen Sie es mir vor. Es dürfte nötig sein.»
     
    «Mein lieber Saint-George, wenn ich die recht verworrene Schilderung Deiner Lage richtig verstanden habe, hast Du Spielschulden über eine Summe gemacht, die Du nicht besitzt. Du hast sie mit einem Scheck bezahlt, der nicht durch ein entsprechendes Guthaben gedeckt ist. Um ihn zu decken, hast Du Dir Geld von einem Freund geliehen und ihm dafür einen vordatierten Scheck gegeben, für den Du ebenfalls keine Deckung zu erwarten hast. Du schlägst vor, ich solle Dir entgegenkommen und Dir für sechs Monate eine Wechselbürgschaft leisten; sofern ich das nicht tue, willst Du entweder (a) ‹noch einmal zu Levy gehen› oder (b) Dir eine Kugel durch den Kopf jagen. Ersteres würde, wie Du selbst zugibst, Deine Schwierigkeiten noch vergrößern; letzteres würde, wenn ich Dich darauf hinweisen darf, Deinem Freund nicht zu seinem Geld verhelfen, sondern dem Bankrott nur noch die Schande folgen lassen.»
     
    Lord Saint-George rutschte unbehaglich auf seinem Kissen herum. «Er versteht es, die Dinge so ekelhaft klar auszudrücken.»
     
    «Du hattest die Freundlichkeit, mir zu schreiben, daß Du dich lieber an mich wendest als an Deinen Vater, weil ich Deiner Ansicht nach eher geneigt sei, für Dein zweifelhaftes Finanzgebaren Verständnis aufzubringen. Ich kann nicht sagen, daß ich mich ob dieser Deiner Meinung geschmeichelt fühle.»
     
    «So habe ich das ja auch nicht ganz gemeint», stöhnte der Vicomte. «Er weiß genau, was ich sagen will. Mein alter Herr würde glatt in die Luft gehen. Hol’s der Henker, er ist doch selbst schuld! Was hält er mich auch so knapp! Was erwartet er denn von mir? Wenn man bedenkt, was er in seiner wilden Jugend für ein Geld durchgebracht hat, sollte er eigentlich mehr Verständnis haben. Und Onkel Peter ist steinreich – es täte ihm nicht weh, ein bißchen auszuspucken.»
    «Ich glaube, es geht ihm nicht so sehr um das Geld wie um die faulen Schecks.»
    «Das ist es ja. Aber was fällt ihm auch

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