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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Schuldgefühle einzujagen. O verdammt! Mir zerspringt der Schädel.»
    «Sie sollten jetzt lieber mal ruhig sein und zu schlafen versuchen. Sie brauchen sich ja nun keine Sorgen mehr zu machen.»
    «Nein. Aber – einen Moment. Gehen Sie noch nicht. Das mit dem Scheck geht jetzt schon mal in Ordnung, das ist die Hauptsache. Ist auch gut so, denn wie ich hier liege, hätte ich schon Schwierigkeiten gehabt, woanders Geld aufzutreiben. Einen Vorteil hat das ja auch – ich kann diesen Arm nicht bewegen und brauche folglich keine lange Dankesepistel voll reuiger Zerknirschung zu schreiben.»
    «Weiß er denn von Ihrem Unfall?»
    «Höchstens wenn Tante Mary es ihm geschrieben hat. Meine Großmutter ist an der Riviera, und meiner Schwester würde das wohl nicht einfallen. Sie ist in der Schule. Mein alter Herr schreibt nie Briefe, und meine Mutter wird sich gewiß nicht mit Onkel Peter abgeben. Sehen Sie, aber irgendwas muß ich doch tun. Ich meine, eigentlich war der alte Knabe ja recht anständig. Könnten Sie ihm nicht in meinem Namen ein paar Zeilen schreiben und ihm alles erklären? Ich will meine Familie da nicht einspannen.»
    «Natürlich tue ich das.»
    «Schreiben Sie ihm, daß ich die vermaledeiten Schulden bezahlen werde, sobald ich wieder eine halbwegs erkennbare Unterschrift zusammenbringe. Mein Gott, stellen Sie sich das mal vor – frei über Onkel Peters Schätze verfügen zu dürfen und nicht einmal einen Scheck unterschreiben zu können! Da lachen doch selbst die Hühner, nicht? Schreiben Sie ihm – wie heißt diese Floskel noch? –, daß ich sein Vertrauen zu schätzen weiß und ihn nicht enttäuschen werde. Moment! Sie könnten mir ein bißchen von dem Zeug in diesem Glas geben, ja? Ich komme mir vor wie der reiche Mann in der Geschichte mit diesem Dingsda.»
    Er trank dankbar von der eisgekühlten Flüssigkeit.
    «Nein, hol’s der Kuckuck! Ich muß etwas tun. Der Junge macht sich echte Sorgen. Ich glaube, die Finger kann ich einigermaßen gebrauchen. Besorgen Sie mir mal Bleistift und Papier, dann versuche ich’s.»
    «Ich finde, Sie sollten das lieber nicht tun.»
    «Doch, ich muß. Und ich werde es auch, und wenn ich dabei draufgehe. Seien Sie lieb und besorgen Sie mir was.»
    Sie fand etwas zum Schreiben und hielt ihm das Blatt Papier, während er unbeholfen ein paar Worte daraufkritzelte. Die Schmerzen machten ihn schwitzen; ein ausgerenktes und wieder eingerenktes Schultergelenk ist am nächsten Tag kein sanftes Ruhekissen; aber er biß die Zähne zusammen und hielt tapfer durch.
    «So», sagte er mit schwachem Grinsen, «das sieht schön mitleiderregend aus. Jetzt sind Sie dran. Tun Sie für mich, was in Ihren Kräften steht, ja?»
     
    Vielleicht, dachte Harriet, wußte Peter seinen Neffen doch richtig anzufassen. Der Junge betrachtete andrer Leute Geld mit der größten Selbstverständlichkeit als sein eigenes, und wenn Peter ihm nur die Wechselbürgschaft gegeben hätte, wie erbeten, hätte er seinen Onkel wahrscheinlich für leichte Beute gehalten und immer weiter ungedeckte Schecks ausgestellt. So aber schien er jetzt doch etwas nachdenklich geworden zu sein. Und er besaß, was ihr selbst fehlte: die Gabe der Dankbarkeit. Daß er Vergünstigungen so selbstverständlich annahm, mochte ein Zeichen von Oberflächlichkeit sein; andererseits hatte es ihn aber etwas gekostet, diesen peinlichen Brief zu schreiben.
     
    Erst als sie nach dem Abendessen wieder in ihrem Zimmer saß und daranging, an Peter zu schreiben, stellte sie fest, welch unangenehme Aufgabe das für sie war. Ihm kurz zu erklären, wie sie Saint-Georges Bekanntschaft gemacht hatte, und ihm einen beruhigenden Bericht über seinen Unfall zu geben, war ein Kinderspiel. Die Schwierigkeiten begannen, als sie auf die Finanzen des jungen Mannes zu sprechen kommen mußte. Die erste Fassung ging ihr leicht von der Hand; sie war humorvoll gehalten und gab dem Wohltäter zu verstehen, daß seine kostbaren Gaben dazu angetan waren, dem Empfänger den Kopf zu zerbrechen, wäre dieser nicht bereits durch andere Einwirkungen stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Sie formulierte das richtig mit Genuß. Beim Durchlesen aber fand sie zu ihrer Enttäuschung, daß der Brief etwas allzu Aufdringliches an sich hatte. Sie zerriß ihn.
    Draußen trampelten die Studentinnen laut über den Korridor und lachten. Harriet verwünschte sie kurz, dann versuchte sie es von neuem.
    Der zweite Entwurf begann ganz formell: «Lieber Peter, ich schreibe

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