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Aufstand der Maenner

Titel: Aufstand der Maenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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selbst hinzustellen beliebte, war Sipha keineswegs an seinen Erwägungen. An den Jahren ihrer Mutter Belit gemessen, werde sie wohl etwas älter als er sein, überlegte er, aber nach kretischen Begriffen sei es ganz gut, wenn die führende Frau den Mann an Alter übertreffe. Herr Punikrum war gar nicht abgeneigt, sich von der reichen und schönen Frau ein wenig führen zu lassen. Obwohl sie nie eigentlich schön gewesen war, dachte er: >schöne Frau< und nicht, sie sei immer noch schön, und es wäre das gleiche gewesen, wenn er ihr richtiges Alter gekannt hätte. Allerdings hatte Sipha eine berühmte Schönheit zum Vater gehabt. Von ihm hatte sie das herrliche Blondhaar, während das feine Profil mit der ganz kleinen, hochstehenden, schnippischen Nase ein Beitrag ihrer Mutter sein mochte. Es gab Völker, deren Frauen schöner waren als die Kreterinnen. Den Frauen von Kreta fehlte Regelmäßigkeit - dafür wirkten sie jede für sich als Einzelpersönlichkeit, was sie in ihrer Selbstherrlichkeit ja auch waren. In Wirklichkeit war auch Punikrum Sipha erlegen. Männer fragen nicht danach, ob eine Frau Jahrzehnte ihres Lebens in Bädern und bei Massagen, in Schönheitslaboratorien, bei Krems und Parfüms verbringt -sie sehen nur den Erfolg, und der war bei Sipha strahlende Faltenlosigkeit. Ganz jung und glatt sah sie aus, und da irgendein Verantwortungsgefühl sie in keiner Weise beschwerte, war der Anlaß zu Falten in ihrem eigenwilligen Leben auch nur gering gewesen.
    Übrigens hatte sich Herr Punikrum ebenfalls nicht ganz
    nach den Regeln entwickelt. Er war ein jüngerer Sohn, und während die älteren Brüder bereits in der Geschäftsleitung saßen, hatte er sich als großer Lebemann aufgeführt und eigentlich nichts getan, als seine Mitbürger skandalisiert und es sei zugegeben manchmal auch amüsiert. Aber er war nun einmal Mutters Liebling, und so hatte ihm die Familie ein begrenztes Vermögen an Waren und Guthaben in der Erwartung zur Verfügung gestellt, nichts von alledem wiederzusehen. Alles war auf Verlustkonto abgeschrieben worden als Preis dafür, den Sprößling hinterher etwas leichter an die Kette legen zu können. Nun aber war alles ganz anders gekommen. Er hatte das ihm anvertraute Kapital vervielfacht, und so war es kein Wunder, daß seine Phantasie so hochfliegende Pläne hervorgebracht hatte wie eine Verbindung zwischen Sipha und ihm oder besser noch von Knossos und Sidon, woran keiner seiner nüchternen Brüder auch nur einen Gedanken verschwendet hätte.
    Mochte Herrn Punikrum jedoch alles ganz wunderbar erscheinen, so töricht war er denn doch nicht, daß ihm nicht Bedenken gekommen wären. Gewiß: Sipha war ihm in seiner Eigenschaft als Mann sehr entgegengekommen besagen aber wollte das freilich nicht viel. In Kreta herrschte die Frau, und nur sie. Es gebe niemanden, der einer kretischen Frau etwas verbieten könne, höchstens die Mutter, auf keinen Fall aber der Mann. Nach kretischem Recht sei der Ehemann der älteste Sohn seiner Frau. Ihr habe er zu gehorchen, und sie habe alle mütterlichen Rechte über ihn. Eine derartige Aussicht nun empfand Punikrum als unbefriedigend, möge dieses Eherecht auch noch soviel mit der Religion zu tun haben. Es sei ja nicht seine Religion, dachte Punikrum, Kreta kenne nur Göttinnen und im Grunde nur die Große Muttergöttin. Die männlichen Götter Kretas seien kaum Halbgötter. Sie seien der Göttinnen sterbliche Söhne. So zeige man auf Kreta das Grab eines Gottes Zeus. Das Grab eines Gottes! Nur ein Kreter könne auf so etwas verfallen. Oder vielmehr Kreterinnen. Überall herrsche die Frau und die lasse auch Götter sterben, wenn sie männlich seien. Wohl herrsche angeblich in Knossos ein Priesterkönig, der ewig junge und ewig schöne Minos; aber der werde auch nur von
    weitem gezeigt, und wer im engsten Rat sitze, wisse keiner so recht vermutlich Frauen und den Frauen gehorchende Männer.
    Wieviel ausgeglichener seien dagegen Religion und Staat in den phönikischen Städten, fand Punikrum. Das Haupt der Familie sei selbstverständlich die Mutter, das gehöre sich so, und daß nach deren Tode die älteste Tochter ihr darin folge, sei ebenfalls klar. Aber der Vater habe doch auch etwas zu sagen, und oft gar nicht so wenig. Die breite Masse wolle freilich am liebsten von Frauen regiert sein und opfere der Ischtar . . . bei diesem Gedanken erschrak Punikrum über sich selbst.
    »Dein Segen über mich, erhabene Ischtar, ewig Fruchtbare, Unendliche!« betete

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