Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Aufstand der Maenner

Titel: Aufstand der Maenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
Vom Netzwerk:
den Eiden war nicht gut. Wenn du schon die Göttin nicht furchtest, hättest du bedenken sollen, was unser Haus groß gemacht hat auf dem Meer und an den Küsten. Es ist das eine, daß jedermann weiß und sagt: Belit hält ihr Wort. Täusche dich also nicht. Wenn du dich Jokbed versprächest, würdest du ihn aufnehmen müssen. Ich, deine Mutter, sage es dir, und du weißt, was das heißt. Doch wer spricht von Jokbed? Die Sache ist die, daß wir selbst wollen müssen, was von uns verlangt wird: Wir brauchen Garp.«
    »Aber Rhea . . .«
    »Hast du wirklich geglaubt, ich würde in meinen Jahren noch einen Jüngling durch meine Beine kriechen lassen, auf daß er mein Sohn sei? Denke an die Klatschmäuler von
    Knossos. Und auch daran denke, daß gegen das Gelübde der vorgeschriebenen Opfer nur eine Frau, die noch gebären kann, das Schongeborene an Kindes Statt annehmen darf.«
    »Wer aber sollte im Fall dieses greulichen Jungen bereit sein . . .«
    »Du, meine Liebe. Ganz allein du. Komme mir nicht mit Einwendungen. Dy hast sie selbst widerlegt. Mein Entschluß steht fest: Du wirst Garps Mutter sein.«
    »Dieses Scheusal!« rief Sipha und warf sich auf die Bank.
    »Ich hätte nichts dagegen, wenn er dir auch fernerhin scheusälig erschiene«, meinte Belit sehr gelassen. »Jedenfalls werde ich über ihn wachen. Hüte dich also, deine Mutterrechte zu mißbrauchen. Mir, seiner Großmutter, gehört er und nicht dir, einer Frau, die zwar gebären könnte, es aber aus Furcht vor den Falten unterläßt. - Und jetzt vergiß diese Stunde, vergiß alles, bis auf das eine, daß du künftig Garps Mutter sein wirst.«
    Tuk, der Pirat, der Mann aus dem Nichts, hockte einem so wohlbeglaubigten Wesen wie dem Schreiber der Priesterdame Belit gegenüber. Beiden lag je ein Brett mit Tontafeln auf den gespreizten Knien. Der Beschriftung harrte der Ton, um dann in Kohlenglut gebrannt zu werden, die sich am Bug schon entfachte.
    Prächtig anzuschauen war der Schreiber Belits. Er trug ein langes Frauengewand, eine Ehre, für die er als verschnittener Tempelministrant mit Freuden seine Mannbarkeit hergegeben hatte. Im Schmuck der kultisch geknoteten Nackenschleife und seiner langen bänderdurchflochtenen Haare neigte er sich, herrlich duftend, im feierlichen Gebet.
    Tuk dagegen, der Schreiber Jokbeds, war bis auf seinen kurzen Lendenschurz nackt. Wie zerfressen, doch ungebeugt ragte sein kurzhaariger Schädel, und in seinem Gesicht stand nur das, was Wind und Wetter und Kampf hineingeschrieben hatten. Ausgelöscht schien er und zu einem Gegenstand erniedrigt wie der Griffel in seiner Hand. Zwei Schreiber, jeder auf seine Art, begannen aufzuzeichnen, was sich vor ihnen begab.
    »Im Namen Rheas, der Allerbarmerin, der Allgütigen .. .«, hieb Tuk mit einem streng verhaltenen Lächeln in seine Tafel.
    Anwesend seien, hieß es ferner, die Oberpriesterin der Großen Mutter von den Schlangen und Palastdame deren Sohnes, des Göttlichen Minos: Belit die Erhabene sowie Dame Sipha, deren Tochter, auf einem Gebärstuhl sitzend, ferner der Schiffshauptmann Jokbed aus Sidon und Garp, ein Jüngling aus dem Volk der göttinverwandten Amaza von den kolchischen Ufern. Der Knabe Garp sei mutternackt von Sklavinnen hinter den Stuhl der Dame Sipha geführt worden und zwischen deren Beinen herausgekommen, wie es die Weltschöpferin Rhea den menschlichen Wesen bestimmt habe, geboren zu werden.
    Alles sei nach den Regeln erfolgt und das vorgeschriebene Opfer dem Höhlentempel der Schlangenrhea gelobt. Erhoben aber habe sich der Knabe Garp nunmehr; durch die Siegel der Beteiligten und das Siegel des Schlangentempels beglaubigt, als ein Herr Garparuda, Sohn der Sipha, Großsohn der Belit.

ZWEITES BUCH

14
    Der junge Herr Garparuda tastete sich die Sprossen hinab. Viele Sprossen hatte die Leiter, und viele Leitern gab es bis zur Sohle des Bergwerks. Es war ein ständiges Schwanken und ein ständiges Wachsein, daß der Stocklampe Öl nicht überschwappe und die Lampe nicht verlösche. In der Finsternis wieder hinaufzugehen wäre schwierig gewesen.
    Aber Garp verlangte es nach der Tiefe und nicht nach dem Licht. Jetzt verlangte es ihn selbst danach, wenn er sich auch eingestand, daß er den Weg bis zu diesen Leitern und auf ihnen hinab unter dem Einfluß seines Schreibers Tuk zurückgelegt habe. Denn Tuk war sein Schreiber, und er war es auf eine sehr unerwartete Weise geworden. Schon vor Jahren hatte sich das ereignet, noch bevor Garp zum erstenmal seinen Fuß auf

Weitere Kostenlose Bücher