Aufstand der Maenner
wenn wir sie ins rechte Licht rücken.«
Die letzten Spuren von Belits Verzückung hatten sich verflüchtigt. Sie war wieder ganz die Große Dame, die eine schwierige Frage überlegen zu lösen versucht.
»Euer Garp ist ein Wilder«, sagte Sipha.
»Du solltest lieber erst nachdenken, ehe du sprichst. Hast du vergessen, worum es geht? Eine Gruppe von Pferden gilt es aufzustellen mit Reitern für sie, die sie lenken, vielleicht auch Reiterinnen, gleichviel, wenn sie im Notfall nur zu uns halten. Ein falscher Beginn, und alles würde scheitern. Denk doch nur an die Widerstände, die es geben wird, an die Feindschaften der Furcht und des Neides.«
»Gerade deswegen, Mutter . . .«
»Gerade deswegen, Tochter, muß es ein Göttinnensproß sein, unter dem der Beginn sich vollzieht. Vielleicht würde ich eine oder einen der Jüngeren unseres Geschlechts damit betrauen. Aber weißt du ein Mädchen oder einen Jüngling, die mit Pferden umzugehen den Mut hätten? Auch sie brauchen ein Beispiel und eine Lehre. Und ein Wilder, sagst du, sei Garp? Durch eure Schuld, ihr Sprößlinge der großen
Häuser, sind Spotdust und Zweifelsucht nach unten gesickert und machen sich nun breit und laut im ganzen Volk. Soll ich den frechen Mäulern einen Kretajungen vorsetzen oder ein danaisches Mädchen von der Insel des Pelops, einen Karer, einen Lykier? Sie würden nur lachen, sag’ ich dir. Aber einer aus dem Volk der Amaza! Die Tributstaaten der Amaza grenzen an Karien, und selbst der Tapferste fürchtet sich davor, gewappnet, aber zu Fuß deren Reiterstürmen standhalten zu müssen. Nur das Meer schützt Kaphtor vor den Amazonen.«
»Und du glaubst an die göttliche Herkunft Garps?«
»Ich glaube daran. Damit die Wirklichkeit wirklich sei, muß sie geglaubt werden. Aber bis das Volk sie anerkennt, kann ich nicht warten. Alle großen Häuser würden sich gegen das Haus Belit zusammentun, wenn ich ihnen einen Göttinnensohn bescheren wollte. Sie betrachten uns ohnehin mit Besorgnis. Doch einem Sohn der Belit können sie ihre Achtung nicht versagen.«
»Einem Sohn . . . Mutter?«
»Das ist es, was Rhea mir eingab. Du brauchst Jokbed nicht zu heiraten. Ich erfülle sein Begehren und nehme Garp an Sohnes Statt an.«
»Die Göttin gab dir das ein?«
»Ich glaube es . . .«
»Dann bist du dessen nicht sicher?«
»Ich sehe keinen anderen Weg, und Garp muß es sein. Das wenigstens ist sicher.«
»Verzeihe mir, du meine Gebietende, meine Mutter, ich bin weltlich gesinnt und deine unwürdige Tochter - du sagst es, und ich widerspreche dir nicht. Niemals werde ich dir gleichen an Weisheit. Doch jetzt verlierst du dich an - vergib -männliche Gedankenwirre. Kindschaft kann nicht durch den bloßen Willen übertragen werden. Wenn sie nicht wirklich ist, so muß sie doch möglich sein.«
»Wir haben Beispiele, daß es geschah.«
»Gewiß. Aber du weißt doch selbst, daß es immer Frauen waren, die noch gebären konnten. Nur sie nahmen das Schongeborene an Kindes Statt an. Immer war es eine Gnade Rheas, die erfleht und für die geopfert werden mußte.«
»Und ich bin eine alte Frau, willst du sagen?«
Belit war keineswegs ungehalten. Sie liebte es, ihre Gedanken im Gespräch und im Widerspruch zu ordnen. Mit ihrer Erklärung, Garp adoptieren zu wollen, hatte sie aber ihrer Tochter eine Falle gestellt, und sie war sehr zufrieden, daß Sipha, ohne zu zaudern, hineingegangen war.
»Du bist meine Mutter«, sagte Sipha. »Du sprachst selbst von den Klatschmäulern in Knossos und in den anderen Städten auf Kreta. Ich höre schon die Spottlieder, die sie singen werden. Niemals erkennen sie diesen Garp als deinen Sohn an. Mit Steinen werden sie nach ihm werfen und nach uns. Oh, Mutter, ich schäme mich schon, wenn ich nur daran denke. Ich verstehe nicht, wie du, eine so hohe Priesterin, auf solchen Gedanken kommen konntest. Nur wegen der Todesgefahr? Oh, Mutter, sei nicht so verstört! Ich werde uns retten. Warum sollte ich Jokbed nicht die Ehe versprechen. Mit heiligen Eiden, wenn es sein muß.«
»Und du gedenkst diese Schwüre zu halten?«
»Laß, Mutter. - Die Hauptsache ist doch, daß wir nicht wie Ratten ersäuft werden, daß wir Knossos erreichen.«
»Du willst die Schwüre also nicht halten?«
»Dann wäre es meine Sünde. Du aber willst Rhea gänzlich beiseite schieben. Zu wem willst du dann noch beten, wenn du sie verleugnest?«
Jetzt lächelte Belit.
»Du hast gut gesprochen«, sagte sie, »und auch wieder nicht gut. Das von
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