Aufstand der Maenner
Dienerin oder einen Diener dabei erwischen sollte, daß sie Ungehöriges denken, lasse ich sie so lange peitschen, bis ihnen das Denken vergeht.«
»Ob ihnen das Denken dabei vergeht, kannst du nie wissen. Du kannst höchstens bewirken, daß sie schweigen. Sicher sind wir nur, wenn ihnen das Leben lebenswert erscheint. Dann werden sie uns tragen und ertragen.«
»Du tust gerade, Mutter, als seien wir nicht die Besitzenden und Gebietenden, sondern nur geduldet.«
»Wir sind es, solange wir nötig sind oder nötig erscheinen. Sollte der Glaube an uns schwinden . . .«
»Es gibt Krieger genug, die sich zu unsern Feldzeichen drängen, wenn wir nur wollen.«
»Und dann fragst du mich, was ich mit den Pferden will? Wer außer mir hat noch Pferde auf Kreta? Vielleicht gewinne ich noch einige hinzu. Aber auch ohne sie werden es bald vierzig oder fünfzig sein. Ein halbes Hundert dieser unheimlichen Tiere, denen der Schrecken voraneilt, zuverlässige Menschen mit scharfen Eisenwaffen auf ihren Rücken - Zehntausende werden sie werfen und zerstreuen. Wodurch siegen diese wilden Mädchen, diese Amaza? Durch ihre Bogen, durch ihre Schwerter? Ich will es dir sagen. Es sind ihre Pferde, die sie siegen lassen! Nun weißt du es, warum ich die Pferde nach Kreta bringe. Um unsere Herrschaft, die ich geschwächt sehe, zu stützen — deswegen tue ich es.«
»Du wirst es von deinen Sklaven nie erreichen, daß sie sich auf Pferde setzen. Und gelänge es - wer sagt dir, daß sie für uns kämpfen würden? Es sind Sklaven, Mutter.«
»Deine Sklaven täten es gewiß nicht - meine hielten vielleicht zu mir.«
»Das ist nicht sicher.«
»Nein . . . sicher ist es nicht . . .« Belit erhob sich. »Komm, hilf mir«, sagte sie dann.
Aus einem durchlöcherten Kasten, dessen Deckel sie hob, lockte sie die Schlangen. Je eine legte sie um ihre Arme, eine dritte um ihren Hals. Sipha, die den Dienst einer Ministrantin kannte, befestigte die zu einem Knoten geschürzte priesterliche Binde mit den sich nach unten verbreiternden Enden an Belits Nackenausschnitt. Dann entnahm sie einer Schatulle das Perlendiadem der Oberpriesterin und setzte es der Mutter auf. Bis auf die Augenbrauen fielen die Schnüre.
So geschmückt, wandte sich Belit in die Richtung zum heiligen Mutterland Kaphtor. Das einzige, was sich an ihr bewegte, waren die Schlangen.
Lange stand sie so. Kniend beugte Sipha den Kopf zur Seite. Mochte sie zuzeiten auch noch so aufgeklärt tun, so war sie dessen nicht ganz sicher, ob nicht vielleicht doch das Antlitz der Rhea dort erscheinen würde, wohin Belit starrte.
Nichts vernahm die Priesterin mehr von dem Rauschen der Bugwelle und dem Stampfen des Schiffes, unhörbar wurde ihr das Krachen und Quietschen der Ruder. Der heilige Wall um sie verschlang jeden Laut. Immer starrer wurde ihr Blick. Ihre Lippen begannen ein unhörbares Gebet.
»Göttinmutter, sei gepriesen in Ewigkeit«, betete Belit. Immer wieder: »- sei gepriesen in Ewigkeit. . .«
»Es ist so, wie ich mir dachte«, sagte Belit, als sie in den Armen der Tochter ihr Bewußtsein wiedererlangte. »Durch zwei Unwürdige verkündete mir die Göttin ihren Willen.«
Keinen Augenblick zweifelte Sipha daran, daß mit den beiden Unwürdigen sie selbst und Jokbed gemeint seien. Aber von ihrer Mutter so oder ähnlich benannt zu werden, war sie gewohnt, und nach der Zwiesprache mit der Göttin waren der Mutter Worte so gut wie die der Großen Rhea. Sie sei eben weltlich, dachte Sipha, und einen Mann wie Jokbed lasse sie nicht in ihr Bett. Versprechen könne man es ihm immerhin, auch beschwören; aber wenn man erst in Kreta sei. ..
»Du brauchst Jokbed nicht zu heiraten«, sagte Belit, »die Göttin verlangt Garp.«
»Als Opfer?«
»Unser Leben sollte stets ein Opfer sein im Dienste der Göttin.«
»An diesen Gedanken wird sich der Junge aber schwerlich gewöhnen.«
»Zweifelsüchtige! Was waren deine eigenen Worte? Daß man für die Pferde solcher Menschen bedürfe wie Garp. Die Göttin sprach aus dir, wie sie aus Jokbed sprach, als er für Garp einen Platz und einen hohen Rang in Kreta verlangte.«
»Aber die Gesetze! Und Jokbed will uns den Menschen nun einmal nicht als Sklaven überlassen.«
»Rhea hat mich gesegnet.«
»Und du hast sie verstanden, wirklich und richtig verstanden?«
»Ich glaube es, Kind. Sehr ungewöhnlich ist, was ich tun muß, aber ich erwarte auch Ungewöhnliches von diesem Knaben. Seine göttliche Herkunft ist überzeugend und wird überzeugen,
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