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Aufstand der Maenner

Titel: Aufstand der Maenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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kränkend sein. Es sei deren Ehrentag.
    Die eigentlichen Heiligtümer waren zwar die Berghöhlen und Grotten, seit jeher die Stätten, an denen sich die mütterliche Göttin am liebsten offenbarte. Es gab viele reich ausgebaute und kostbar geschmückte. Der Hof aber hatte im Palast selbst, der an sich schon ein Heiligtum war, auch noch als des Heiligen Heiligstes eine Kapelle. Sie war der allgestaltigen Rhea geweiht, und so konnte dort von der zuständigen Priesterschaft jeder Gestalt der Großen Mutter geopfert werden. Von diesem erlesenen Göttindienst war frei-
    lich die breite Öffentlichkeit ausgeschlossen, und in dieser Nacht konnte aus Raummangel nicht einmal die Palastdienerschaft zugelassen werden. Für Garp freilich war jede Rhea immer noch die Große Jägerin der Amaza, und die Rhea dieser Nacht war es daher mehr als alle andern. Doch ebenso bestand auch jetzt noch die alte Feindschaft zwischen ihm und der Göttin. So focht es ihn denn nicht an, daß er deren Weihe nie erhalten hatte. Der Form war allerdings Genüge geschehen. An Bord war Garp einst auf Siphas Geheiß mit meerwassergetränkten Stricken gepeitscht worden. Diese Hiebe hatte Belit zum vollgültigen Mannbarkeitsbeweis erhoben. Nicht, um ihm das Opfer zu ersparen, war das geschehen, sondern lediglich aus Mangel an Zeit und Gelegenheit. Dagegen war es nicht unterlassen worden, ein Protokoll darüber zu errichten und dessen gebrannte Tafel am Altar der Göttin niederzulegen.
    Gefragt worden war Garp dabei überhaupt nicht, und so hatte er glücklicherweise nicht darauf verweisen können, daß er sich selbst bereits den Unbekannten geweiht habe - einst am Phasis — und somit in der Verdammnis und Feindschaft mit der Göttin lebe.
    In der weitläufigen Palastwohnung der Großen Dame wartete Tuk schon ungeduldig auf seinen Herrn. Aber die beiden reich gestickten ovalen Schurze waren schnell angelegt, ebenso der silberne Gliedschutz befestigt und das einfache Schuhwerk mit hochgeschnürten Prunkschuhen rasch vertauscht. Garp mußte an Thes denken. Weder goldene Armspangen wurden ihm erspart noch die adlige Halskette. Zuletzt ließ Tuk ihm gar neue Bänder ins Haar flechten und ihn natürlich, wie sich das gehörte, auch schminken.
    Gerade noch zur rechten Zeit kam Garp. Durch eine der beiden seitlichen Männertüren betrat er das Heiligtum.
    Er sah es zum erstenmal.
    Die Kapelle lag über dem Mittelhof. Nur locker war sie zur Tiefe hin durch eine offene Säulenreihe abgegrenzt. Von dieser Reihe führte eine breite Treppe zum Hof hinab. Garp sah diese Treppe nicht. Nur den freien Himmel erblickte er, an dem der erfüllte Mond seiner höchsten Höhe zustrebte, in lichte Trapeze zerschnitten, zwischen den sich nach unten verjüngenden Säulen. Gleichsam in der Luft schwebte der Raum. Weißes Leuchten legte sich auf die Fliesen. Schwarz waren die Säulen, und dunkel standen auch die Seitenpfeiler vor den alabasternen Wänden. An ihnen hatten die geladenen Männer ihren Platz, die Söhne und Brüder der Damen, denen die Mitte Vorbehalten blieb, und Garp hätte sich schwerlich zurechtgefunden, wenn er nicht als ein selbst hier noch Bevorzugter hart an den Altarraum geführt worden wäre.
    Bot die Halle der Laien vielen Hunderten Platz, so war das Heiligste immer noch so geräumig, daß die Gebieterinnen des Kults mit ihren zahlreichen Helfern sich frei entfalten konnten. Einige Stufen trennten den Altarraum in der ganzen Breite des Tempels von dem des Volkes. Inmitten der Bühne stand der Altar, von stilisierten Stierhörnern umrandet und von frei stehenden Doppeläxten flankiert. Wohlgerüche entsandte sein Feuer in den Tempel und ins Freie. Zu den Gebetsformeln verschnittener Tempeldiener wurde bei bestimmten Worten das Pulver stark riechender Kräuter und Harze in die Flamme gegeben. Dann prasselte sie auf, und die Bläue ihres Rauches stieg monddurchleuchtet zur Göttin empor.
    Der einförmige Gesang hüllte die Geräusche der Menge ein. Schon hatte der Tempel sich gefüllt. Ganz vorn, dem Altar und den Stufen zunächst, hockten die Jungmädchen vor den Reihen ihrer älteren Schwestern. Es erging ihnen ebenso wie Garp. Auch sie wohnten dem Mysterium zum erstenmal bei, und zum erstenmal trugen sie als Zeichen ihrer jungen Mannbarkeit Damenkleider. Spitz stachen die Brüste aus den neuen Miedern. Unruhe war in ihnen, wie sie da, den langen Rock zwischen Beine und Schenkel geklemmt, vor den Altarstufen lagen. Das mit den Röcken war eine ihnen noch neue

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