Aufstand der Maenner
Frauen des Volkes, war sie bis zum Gürtel nackt, und so bestärkten die Brüste den Eindruck der Mutterschaft. Selbst vornehme Damen waren stolz auf eine solche Überreife, die als Zeichen der- Würde gern zur Schau getragen wurde. Und von den Gesichtern des Marktvolkes unterschied sich das der Frau in vielem. Ihre Züge waren feiner und wiesen Ähnlichkeit mit denen des Alten auf. »Ich schweige«, flüsterte sie jetzt, »da Sie nicht erkannt sein wollen, Herr. Und seien Sie ihm nicht böse. Er ist der Mann meiner Mutter und nicht ungeschickt. Wir lieben ihn, wenn er sich auch ein wenig närrisch mit seinen Töpfen hat. Denken Sie nur, er bildet sich ein, der Urheber seiner Gefäße zu sein, während doch jedes Kind weiß, daß nur der Segen der Frauen die Töpfe gedeihen läßt. Darin ist er lächerlich, wir wissen es, aber sonst ist er nicht unfromm und nicht so, wie man es von Zeia, nach dem Sie fragten, erzählt. Ich sage das nicht, weil Zeia im großen arbeitet. Die gleichen Stücke läßt er in Massen hersteilen. Bis nach Ägypten verkauft er sie, bis
Milet und Sidon übers Meer. Der Mann meiner Mutter dagegen wiederholt niemals ein Gefäß, das er einmal machte es ginge uns besser, er täte es. Aber einzig ist es, was Sie da sehen. Es gibt keine gleichen, und da Sie diese Schale . . .«
»Ich sah sie«, unterbrach Garp sie. »Aber der Mann Ihrer Mutter nannte mir nicht den Preis.«
»Wir sind arm geworden, Herr. Wir müssen nehmen, was Sie uns geben, Herr. Früher freilich . . .«
Garp war kein Verschwender.
»Ein Pfund Silber, dachte ich . . .«
»Silber?!« erschrak die Frau. Aber es war ein freudiger Schreck.
»Die junge Frau hat recht. Es ist unwürdig, zu feilschen. Ich biete zwei Pfund.«
»Silber . . . ?«
»Ich sagte nicht: Gold.«
»Herr . . früher bezahlte man diese Dinge mit Silber. Aber jene Zeiten sind längst vorbei. Jetzt zahlt man Kupfer.«
»Hat die Schale, indessen ihre Schönheit verloren? Alle Preise steigen. Soll der Künstler trotz der Teuerung und da alle andern mehr bekommen, noch geringeren Wert erhalten als zuvor? Das heißt ihn verderben.«
»Man hält es so, Herr . . ., obgleich es nicht gerecht ist.«
»Gerecht! Der Markt tötet die eigene Mutter, wenn er sich davon Vorteil verspricht. - Ich aber zahle den Wert. Nicht mehr. - Nun aber sage mir: Was erzählt man sich von Zeia, dem Töpfer?«
»Daß er den Segen der Frauen geringachtet bei seinem Gewerk und daß er ihn niemals sprechen läßt über seinen Scheiben . . . aber ich weiß es nicht, Herr! Und wenn Euer Herrlichkeit anderes meinen, werde ich jeder sagen, sie lüge, wenn sie so spricht.«
»Was soll ich anderes meinen? Ich weiß ja nicht einmal, wo er wohnt.«
»Oh das ist leicht zu finden: das drittletzte Gehöft auf dem Wege nach Silas. Und ich werde reden, was der Herr spricht. In meinen jüngeren Jahren nahm ich mir einen Mann aus dem mütterlichen Hause des Herrn. Ich kaufte mir den Mann. Später starb er dann, und er hatte auch wenig
Geschick zur Töpferei. Aber seit jener Zeit komm’ ich hin und wieder ins Haus, und dort sah ich Euer Herrlichkeit . . .«
»Da die junge Frau das Haus kennt, bitte ich, mir um Sonnenuntergang die Schale zu bringen - gegen drei Pfund Silber.«
»Der Herr sagten zwei . . .«
»Ein Pfund für die Schale, eins für die Teuerung und eins für die Auskunft. - Gefalle es der jungen Frau, einen Unwürdigen zu segnen.«
»Daß Sie ihren Segen wollen, ist recht«, sagte der Alte. »Sie ist eine gute Frau. Sie ist meine Tochter.«
»Wie du immer sprichst! Ich bin die Tochter meiner Mutter. Das bin ich! Sonst weiß ich nichts von einer Tochter. Du vermengst eben alles, Mann meiner Mutter.«
Kaum je hatte Garp Muße in Knossos. Immer war seine Zeit mit Geschäften und Verpflichtungen ausgefüllt, denen er sich keineswegs leicht entziehen konnte, und fast bei jedem seiner seltenen Aufenthalte in der Hauptstadt lernte er etwas für ihn Neues kennen, worüber die andern jungen Männer seines Standes überhaupt nicht nachdachten - so altgewohnt und selbstverständlich war es ihnen.
Für diese Nacht nun hatte Belit über ihn verfügt. Ihr Großsohn sollte einem Hochamt für die Rhea der Jagd und des Kriegs sowie der damit verbundenen Jugendweihe vornehmer Jünglinge beiwohnen. Für den Palastdienst waren die Jünglinge bestimmt. Garps Anwesenheit in Knossos sei bekannt geworden, hatte Belit sagen lassen, und so würde sein Fernbleiben für die Familien der jungen Leute
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