Aufstand der Maenner
letzter Schutz, wurden der Göttin des erdverbundenen Mondes in Demut dargebracht.
Drei Opferpriesterinnen entkleideten je einen der Jünglinge und warfen die wachsgetränkten Gürtel und Schurze in die auflodernde Glut. Dann wickelten sie die Haare der Nackten um ihre Linke und rissen deren Köpfe nach unten. Wie man es gelehrt hatte, umfaßten die Entblößten- gleich Ertrinkenden die Hörner des Altars. Die Frauen ergriffen die ihnen gereichten Ruten . . .
Jeder Streich war mit einem bestimmten Ton der Musik verbunden und mit einem Wort der Gesänge. Kein Fauchen war zu hören und kein Stöhnen der Gepeitschten oder gar deren Schreie. Was nicht gehört werden durfte, wurde durch Wohllaut übertönt. Ein Einknicken der Knie war Schande, und die zuschauenden Mädchen waren strenge Richterinnen. Gnade waren nur die Rauchschwaden des Altares. Sie betäubten, wie der Schmerz betäubte.
Verbrauchte Ruten wurden verbrannt. Die Gepeitschten wichen aus dem Heiligsten auf die Stufen zurück. Verschnittene Ministranten suchten neue Jünglinge aus für neue Ruten. Schweißig glänzte die Haut der Priesterinnen, und wenn auch kein Steinmesser Tieren die Brüste aufriß, so floß doch Blut.
Wohlbedacht war trotz allem Belits Befehl gewesen, ihr Großsohn habe dem Hochamt beizuwohnen, und gerade diesem! Immer hatte sie ihn im Verdacht, der göttingewollten Ordnung zu widerstreben. Als wenn es eine andere gäbe und geben könne! Und nun ward auch Garp vom Kult verschlungen. Ein ungestümes Verlangen überkam ihn, nicht mehr abgesondert zu sein und der Göttin seine nie verjährende Schuld zu bezahlen.
Heißer Atem erfüllte den Tempel, Gerüche von Blumen und Moschus entstiegen den erregten Leibern und mischten sich mit dem Dunst von Rauch und menschlichem Schweiß. Das nackte Bein einer Priesterin durchbrach den Schilfbehang, rutenbewehrte Frauenarme hoben sich, sausten herab, füllige Brüste tanzten, gelöste Haare flogen, Striemen zogen sich über gepeitschte Lenden, mit glitzernden, quellenden Augen starrten Jungmädchen offenen Mundes . . . unentrinnbar
war, was Garp sah, hörte, roch. Als jähen Ausbruch von Mütterlichkeit empfand er, der nie seine Mutter gekannt, die Auspeitschung der Geweihten. Und sich selbst erblickte er als Schuldigen vor der Göttin, die auch ihn rufe, der auch er gehöre, der Jägerin, den unerbittlichen Frauen, den Mädchen und allem, was weiblich sei.
Verlangend erhob er die Hände, die Innenflächen nach außen. Er betete an. Aber zum erstenmal war sein Gebet kein Lippendienst - mit wilder Bejahung stieg es aus dem Urgrund seines Seins. Ganz nah am Heiligsten kniete Garp, vom Altar hell beleuchtet. Seine Hände beteten, sie erflehten Erlösung vom Banne der Einsamkeit und seines Selbst - wie steile Schreie standen seine Hände in der Luft . . . und sie wurden ergriffen, seine Hände, sie wurden erhört. Zwei verschnittene Ministranten - sei es Irrtum oder Absicht - ergriffen sie und zogen Garp über die Stufen hinauf und ins Heiligste. Nur als Opfer durfte ein unverschnittener Mensch es betreten. Überschritten hatte Garp die Grenze.
Neue Priesterinnen erwarteten an Stelle der Erschöpften die neuen Opfer. Eine von ihnen, die mittlere, bemächtigte sich Garps. Tief sog er den Geruch ihrer Achselhöhlen in sich hinein, und ehe er sah, wußte er, daß es Sipha war. Er fühlte ihre wissenden Hände an seinem Leib . . .
»Kommst du endlich?« sagte sie, nur ihm vernehmbar. »Weißt du nun, daß ich deine Göttin bin? Wohlgefällig bist du mir, mein Aufsässiger.«
Er sah sie seine Kleider der Glut übergeben. - Das Feuer fraß auch Metalle. Wenn das Opfer nur nackt war!
»Fasse die Hörner des Altars«, befahl sie und ergriff die weiße Strähne seines Hauptes, das Mal der Göttin; »aber mich bete an, denn ich bin es, der du gehörst und die du erleiden sollst.«
Keiner der Jünglinge war den Ruten entgangen. Auch Garp lag jetzt auf den Stufen. Mit seinen prahlerischen Striemen, lag er da. Sipha verstand sich auf die Kunst, und Blut tropfte von seinen Lenden.
Als er nun die Augen aufhob, glaubte er einen Gott zu sehen, einen männlichen Gott.
Leer war der Raum des Altares. Nur die Flamme brannte rot. Aus ihr aber stieg langsam ein junges Männerhaupt von großer Schönheit empor. Die Lilienkrone in Weiß, in Rot und Blau saß ihm schräg von der Stirn zum Hinterhaupt auf dem Scheitel, und aus ihr heraus schwangen sich die drei langen Federn in gleichen Farben. Locken
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