Aufstand der Maenner
bekränzten die Stirn, und über die linke Schläfe fiel die libysche Strähne.
Höher stieg das Haupt. Der mit der königlichen Lilienkette umwundene Hals, die geschmückten Arme entstiegen der Flamme und der Oberkörper, der nackt war.
Alles warf sich zu Boden, mit dem Antlitz zur Erde, hob mit gereckten Armen sich auf und warf sich von neuem nieder.
»Minos!«
Dreimal erschallte der Ruf, und dreimal berührten alle die Erdmutter mit der Stirn.
Unbewegt stand die Erscheinung, fern allem Menschlichen. Der Großkönig Minos des kretischen Reiches, der Heilige, die ewige Wiedergeburt des sterblichen Zeus — er stand da. Eine unübersehbare Machtfülle: Bergwerke, Schiffe, Paläste, Fabriken, Wiesen und Berge, Herrinnen und Sklaven, Freie und Unfreie, Lastträger und Krieger, Meer und Land und eine Vielfalt von Völkern - alles stand da, zusammengefaßt in einem einzigen menschlichen Umriß. Bei diesem Gedanken erschauerte Garp.
Eine leichte Bewegung ließ den Umriß erzittern. Langsam beugte sich der rechte Arm mit den ausgestreckten Fingern bis zur linken Achsel — weitab spreizte sich der andere vom Leib. Die Linke aber hielt das halbmondförmig gebogene Stück eines aus Schilffasern gewundenen Strickes. Kaum eine Handlänge maß das Stück, und es war die einzige Erinnerung des Minos an die Urzeugung, der alles entsprang.
So begann zu leisen Tönen der Tanz der Arme und Hände. Hoch brauste die Flamme, und die Musik entbrannte. Nach links wich Minos, und mit einer Wendung im feierlichen Tanz schritt er zurück zum Altar.
Vom engen Gürtel hing ihm ein goldener Gliedschutz. Kaum viel länger umhüllte den rechten Oberschenkel ein Gespinst mit welligen Säumen. Der linke war nackt, und nackt waren seine Füße. Nichts durfte ihn von Rhea trennen, die
seine Mutter war, von der Göttin der Erde und von dieser Erde selbst. Er tanzte auf seiner Mutter den Tanz.
Seine Glieder tanzten, sein Leib tanzte - unbeweglich blieb sein Gesicht. Trauer erfüllte Garp, als er Minos, den Ewigen und ewig Jungen, tanzen sah.
Es war das Recht der Opferpriesterinnen und ihre Gnade, sich aus den Geweihten, sie zu eröffnen, die Knaben zu wählen, die ihnen gefielen.
Sipha erwählte Garp.
19
»Tritt beiseite, Lustknabe meiner Mutter«, sagte Adna, »siehst du nicht, daß ich mit meinen Mädchen die Treppe hinab will? Ich wünsche nicht, daß eine von ihnen dich berühre.«
»Achte den Namen unserer Herrin, wenn schon nicht den meinen.«
Auge in Auge standen sich Adna und Garp gegenüber. Der Ausdruck einer gemachten Verachtung im Gesicht des Mädchens wich allmählich dem einer ehrlichen Trauer.
»Den Namen deiner Herrin, meinst du«, sagte sie. »Oh, Garparuda, wer bist du?«
»Ich suche mich, Enkelin der Belit.«
»Dann finde dich schnell und habe acht auf dich. Sie verschlingt die Männer, deren sie sich bedient.«
Lange blickte Garp der Warnerin nach, ehe er sich wandte und die Treppe hinanschritt.
Daß Sipha sich ihn unter den Knabenopfern erwählt hatte, war nicht schändlich, sondern eher ein Beweis ihrer guten mütterlichen Gesinnung. Schade war nur, daß sie ihn behalten hatte.
So wäre es ein Beweis großer Sittenlosigkeit gewesen, hätte ein uneröffnetes Mädchen sich einen Mann zur Ehe beigesellt. Ein Priester, ein Fremder, in jedem Falle aber ein anderer Mann hatte der künftigen Gattin als erster beizuwohnen,
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um dann nach der Hochzeit reich beschenkt und bedankt zu verschwinden. Nie jedoch durfte die Frau sich diesem Manne wieder nähern - gerade diesem einen nicht — oder er sich ihr. Ein schweres Verbrechen wäre das gewesen; denn der Fremde hatte den Göttinsohn vertreten.
Ein Jüngling freilich war von weit geringerer Bedeutung als ein Mädchen, und ihm gegenüber war schon mehr erlaubt. Eine Opferpriesterin jedoch, die einen geweihten Jüngling, nachdem sie ihn genossen, auch weiterhin als ihren Geliebten behielt, verging sich gegen ihr heiliges Amt. Und gerade das hatte Sipha getan. Zwar gab es Lieder, die eine solche Liebe verklärten, doch alle endeten sie mit Tod oder Trennung und mit Buße für begangene Schuld.
Soweit Belits Tochter lieben konnte, liebte sie Garp. Aber es war die Liebe einer Tigerin zu ihrer Beute, eine um so kostbarere Beute, als sich Garp ihren Fängen schon entrissen hatte und sie ihn wider Erwarten zuletzt doch noch bekam. Garps hohe Gestalt, seine breite Brust, seine harten Muskelstränge und vor allem sein langes Widerstreben hatten Sipha das schier
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