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Aufstand der Maenner

Titel: Aufstand der Maenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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Kunst, aber sie übten sie mit einem der Feierlichkeit angemessenen Ernst. Ein Opfer sollte der Göttin dargebracht werden und in der Göttin - auch ohne Worte empfanden sie es lüstern ihnen selbst. Alle starrten sie erwartungsvoll zu den Weidenruten, die zwischen Altar und Doppeläxten aufgehäuft waren.
    An seine Knabenjahre mußte Garp denken und daran, wie er die Amazamädchen um ihre Jugendweihe beneidet habe. Alles sei dort wohl härter, aber auch klarer und eindeutiger gewesen. Eine Amaza schenke nichts und lasse sich nichts schenken. Selbst bringe sie der Jägerin das Opfer ihres Leibes, selbst versöhne sie mit den Weiden die Geister des Sumpfes, kaufe sie sich mit ihnen und dem Schmerz vom Tode los. Hier jedoch . . .

Es war gut, daß Belit ihren Großsohn in diesem Augenblick nicht sah. Eitel Spott war sein Lächeln.
    Auf Kreta brauchte kein Jüngling die Mädchen um ihre Jugendweihe zu beneiden. Das Opfer bringe der Jüngling
    das Mädchen schaue nur zu. Weidenruten auch hier - auch hier die Beschwörung des Sumpfes und der ungehemmten Vermehrung. Bei den Kaphtorim jedoch begnüge die Frau sich damit, den Dämonen ihren Rock zu weihen, der noch immer das Muster geflochtenen Schilfes bewahre. Was zu tun sei, tue der Mann - was zu leiden sei, leide er. Garp fühlte das Bedürfnis nach einem Atemzug ungeschwängerter Luft, und wenn es möglich gewesen wäre, hätte er den Tempel verlassen. Doch nun drangen schon von draußen die Klänge von Becken, Sistren und Harfen, von Blockflöten und Tuben herein.
    Sie kamen.
    Über die breite Treppe stiegen sie vom Hof aus hinan. Als erhöben sie sich über die Wolken, erschienen sie den Andächtigen im Tempel. Alle trugen sie lange Frauenkleider: die Ministranten mit glatten Ärmeln oder mit den nach hinten gleich Vogelflügeln abstehenden Fransen. Ihnen folgten die Musikanten. Immer mehr füllte sich der Raum am Altar.
    Jetzt tauchten die kunstvollen Frisuren der weiblichen Novizen zwischen den Säulen auf. Und dann kamen die Unerbittlichen, die Priesterinnen des Opfers.
    Auch sie trugen den Nackenknoten, die heilige Schleife der Verbundenheit mit dem Altar, aber sie trugen ihren Knoten den Sumpfgeistern zu Ehren aus Schilf. Die Nacht der Jugendweihe war die Nacht ihrer Entfesselung. Frei wehten dann ihre dem Schilf verwandten Haare. Die Pflanzen des Leibes wurden zu Fahnen des zeugenden Sumpfes. Ihm entsprangen die Weiden, und mit Weidengerten wurde in den Jünglingen der Urtrieb entfacht.
    Um der Göttin zu gefallen, mußte das Opfer schmerzens-reich sein, und zugleich sollte die heilige Glut auch die Jünglinge ergreifen.
    Darum ließ man nur priesterliche Frauen von großer Geschlechtswirkung die Weihen des Geschlechts vollziehen. Röcke und Mieder durften die zweifache Wirkung der Unerbittlichen nicht behindern - Schilfblätter allein hingen ihnen lose vom Gürtel herab, nackt waren Oberkörper und Füße. So - mit dem ganzen Leibe frei atmend, gelöst und entfesselt - führten sie jetzt ihre männlichen Opfer zum Altar, ln keiner anderen Eigenschaft denn als Opfer durften Unverschnittene ihn berühren. Einen Schurz trugen die Jünglinge und die Haare durch bunte Bänder bis an die Kniekehlen verlängert. Alle waren sie Söhne vornehmer Damen, jetzt aber den unerbittlichen Frauen gegeben und in deren Dunstkreis gefangen.
    Becken und Handtrommeln übernahmen die Führung, Sistren und Harfen rasten, und die Flöten jagten ihre Läufe aus sich heraus - bis die Jünglinge dann, den Andächtigen abgewandt, dem Nachtgestirn zugekehrt, vor dem Altar auf ihr Antlitz fielen.
    Die Musik riß ab. Unter dem gedämpften Wirbel der Handtrommeln zogen sich die Jünglinge bis auf die Stufen zurück.
    Dann entstand eine Stille. Nur noch leise erzitterten die Sistren, Harfenklänge legten sich in breiten Wellen darüber, als sie, die Priesterin der Jagenden Göttin, erschien. Über ihrem Scheitel stand die Scheibe des vollendeten Mondes. Genau über ihrer Krone stand sie, und die Herrlichkeit der priesterlichen Gestalt trug mit der Krone den Mond.
    Alle beteten an. Auch Garp. Es gab kein Entrinnen. In veralteter Sprache erflehte der Göttin Stellvertreterin deren Lächeln.
    »Sei den Knaben gnädig«, flehte sie.
    »Sei ihnen gnädig«, wiederholten alle.
    »Und schaue wohlgefällig ihr Opfer an.«
    »Nimm es an, ihr Opfer, o Rhea, die Jägerin, Kriegerin du!«
    In dieser Nacht aber wurden keine Tauben und Zicklein dem Feuer übergeben.
    Männliche Gewänder, ihrer Träger

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