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Aufzeichnungen eines Außenseiters

Aufzeichnungen eines Außenseiters

Titel: Aufzeichnungen eines Außenseiters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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die wirkliche Action im Olympic war. Raft kam, und all die anderen Größen, und die Starlets kuschelten sich in ihre reservierten Sitze am Ring. Und die Jungs auf der Galerie gerieten außer sich, und die im Ring schlugen sich wie die Irren, und die ganze Halle war blau vom Zigarrenqualm; und wie wir uns die Lunge aus dem Hals schrien und Geldscheine in den Ring warfen und den Whisky rumgehen ließen; und wenn es vorbei war, kam die Fahrt nach Hause, und dann auf die Matratze mit unseren blondgefärbten raffinierten Ludern, man machte eine Nummer, und dann schlief man wie ein besoffener Engel. Wer brauchte damals die Leihbibliothek? Wer brauchte Ezra? T. S. E.? H. D.? Wer brauchte die Eliots, die Sitwells, den ganzen hochtrabenden Verein?
Ich werde nie den Abend vergessen, als ich zum erstenmal den jungen Enrique Balanos im Ring sah. Damals war mein Favorit ein tüchtiger schwarzer Fighter; er brachte immer ein kleines weißes Lamm mit in den Ring und drückte es an sich, bevor der Kampf losging. Das war natürlich zickig, aber der Junge hatte Klasse, und einem harten Fighter sieht man schließlich schon so einige Flausen nach, stimmts? Jedenfalls, er war mein Held. Er hieß wohl Watson Jones oder so ähnlich. Watson hatte Klasse und einen guten Riecher — — schnelle Kombinationen, links-rechts, und dann kam der PUNCH ; und man merkte, daß ihm die Arbeit im Ring Spaß machte. Und dann, eines Abends, stellten sie ohne Vorankündigung diesen Balanos gegen ihn auf die Bretter, und Balanos hatte genau die richtige Einstellung, er nahm sich Zeit, zermürbte Watson, deckte ihn ein nach Strich und Faden und gab ihm in der letzten Runde den Rest. Meinem Helden! Ich wollte es nicht wahrhaben. Ich stieg auf meinen Sitz, fuchtelte mit meiner Flasche in der Luft und schrie nach einem Sieg für Watson, der einfach nicht mehr drin war. Wenn ich mich recht entsinne, ging Watson am Ende sogar k. o., so daß der Abend wirklich zu einem bitteren Erlebnis wurde. Balanos teilte aus, was er hatte — und er hatte 'ne Menge. Er bewegte sich fast nicht. Er pflanzte seine Beine auf die Bretter und ließ seinen Gegner kommen. Er täuschte, duckte ab, fintete, und ständig kreisten seine Arme, die reinsten Windmühlenflügel, kann ich euch sagen, und immer wieder kam er mit seiner Rechten durch. Nach diesem Fight wurde mir klar, daß es eines Mannes von einsamer Klasse bedurfte, um diesen Balanos zu schlagen. Und daß es für Watson das Beste war, wenn er sich sein Lämmchen unter den Arm klemmte und für immer von der Bildfläche verschwand.
Aber erst spät in jener Nacht, als der Whisky in mich rein lief wie in ein leckgeschlagenes Schiff und ich mich mit meiner Schickse in der Wolle hatte, war ich so weit, daß ich mir eingestand, daß der bessere Mann den Fight gewonnen hatte. »Balanos. Gute Beinarbeit. Er handelt ohne zu überlegen. Reagiert blitzschnell und instinktiv. Heut nacht hat der Körper über die Seele gesiegt. So isses meistens. Goodbye Watson, goodbye Central Avenue. Feierabend. Es ist alles vorbei.«
Ich schmiß mein Glas an die Wand, ging rüber und griff mir 'n Stück Weib. Ich war angeschossen. Sie war schön. Wir stiegen ins Bett. Ich entsinne mich, daß es zum Fenster reinregnete. Wir ließen uns vollregnen. Es tat gut. Es tat so gut, daß wir zwei Nummern hintereinander schoben. Und dann schliefen wir ein, mit dem Gesicht zum Fenster, und es regnete, und am nächsten Morgen wachten wir völlig durchnäßt und durchfroren auf und niesten und lachten, »Jessas! Menschenskind! Irre!« Es war lustig, und der arme Watson lag irgendwo mit seinem zu Matsch geschlagenen Gesicht und sah den 6-Runden- und den 4-Runden-Kämpfen in der Provinz entgegen und schließlich einem Job neben mir am Fließband in der Fabrik, acht oder zehn Stunden Plackerei am Tag für 'n Trinkgeld, keine Aussicht, jemals wieder hochzukommen, nur noch geduldig auf Papa Tod zu warten, sich in den Arsch treten lassen, sich das Hirn durch den Wolf drehen lassen, und wir niesten, »Jessas!«, es war lustig und sie sagte, »Mensch, du bist ja total blaugefroren! BLAU ! Von Kopf bis Fuß! Guck dich doch mal im Spiegel an!«, und ich stellte mich bibbernd vor den Spiegel, es stimmte, ich war vollkommen blau angelaufen! Verrückt! Ich fing an zu lachen, ich lachte, bis ich auf den Teppich fiel, und sie fiel auf mich und wir lachten, lachten, lachten, daß ich dachte, wir hätten beide den Verstand verloren, und dann wurde es Zeit für mich, ich mußte mich

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