Aufzeichnungen eines Außenseiters
sie kleingekriegt mit ihrer LIEBE , ihrem Whisky, ihrer abgöttischen Verehrung und ihren einladend gespreizten Beinen; und ein halbes Hundert weitere haben sie fast so weit gekriegt. WENN DU VON DEINER SCHREIBMASCHINE AUFSTEHST , LEGST DU DEINE MASCHINENPISTOLE AUS DER HAND UND LÄSST
DEN RATTEN FREIEN LAUF . Als Camus anfing, vor den verstaubten Geistern der Akademien Reden zu halten, ging seine Schriftstellerei den Bach runter. Und was ihn umbrachte, war kein Autounfall.
Wenn ein paar meiner Freunde fragen: »Warum machst du nicht mal eine öffentliche Lesung, Bukowski?«, sind sie immer ganz perplex, wenn ich sage: »Nicht mit mir, Baby.« Also haben wir Chicago, also haben wir Prag, und es hat sich nichts geändert. Natürlich wäre mir Cleaver als Präsident auch lieber als Nixon, aber das will nicht viel heißen. Eins muß diesen gottverdammten Revolutionären noch klar werden, die mir ständig auf die Bude rücken und mein Bier saufen und mir den Kühlschrank leerfressen und mir die rosigen Schenkel ihrer Weiber vorführen: daß sich erst mal in den Köpfen ein neues Bewußtsein etablieren muß, und daß es nicht reicht, wenn man einem eine neue Regierung über den Kopf stülpt wie einen neuen Hut und darauf hofft, daß sich dann auch in der Rübe, die darunter steckt, etwas tut. Und solange sich bei dem Betreffenden die wesentliche Sorge auf das konzentriert, was sich zwei Stockwerke tiefer abspielt, wird auch ein kompletter Satz Dizzie-Gillespie-Platten nichts ändern. Vor ein paar Tagen saß einer bei mir im Zimmer auf dem Teppich und verkündete:
»Ich werd die ganze Kanalisation sabotieren. Die ganze Stadt wird von Scheiße überschwemmt sein.«
Na, der Junge hatte an dem Abend bereits so viel Scheiße geredet, darunter hätte man nicht nur Los Angeles, sondern die ganze Gegend bis rauf nach Pasadena begraben können. Und dann sagte er: »Hast du noch 'n Bier, Bukowski?« Und die Mieze, die er dabei hatte, schlug ihre Beine übereinander und ließ dabei ein Stück rosa Unterwäsche aufblit zen; da stand ich eben auf und brachte dem Kerl noch ein Bier.
Revolution. Das klingt so romantisch. Ist es aber nicht. Es ist Blut, Härte und Wahnsinn. Es bedeutet gewöhnlich, daß eine ganze Reihe von Jungs draufgehen, bloß weil sie in die Mühle geraten sind ohne zu wissen, was eigentlich läuft. Oder daß dein Weib ein Bajonett in den Bauch gerammt kriegt und einen Schwanz in den Arsch, während du zusehen darfst. Und daß Männer, die früher mit Begeisterung Mickey-Mouse-Hefte gelesen haben, einander Streichhölzer unter die Daumennägel treiben. Bevor man sich darauf einläßt, sollte man sich vielleicht klar werden, wohin und wozu einen die Begeisterung eigentlich treiben soll, und was davon noch übrig sein wird, wenn die Sache gelaufen ist.
Ich bin nicht mit Dostojewski der Meinung, a la Schuld und Sühne, daß keiner das Recht hat, einem anderen das Leben zu nehmen. Tatsache ist, daß man uns in so und so vielen Fällen das Leben nimmt, ohne auch nur einen Schuß abzu feuern. Auch ich habe mich für einen miesen Stundenlohn auspowern lassen, während der Bonze in seinem Boudoir in Beverly Hills die Vierzehnjährigen reihenweise entjungfert hat. Ich habe erlebt, daß Männer gefeuert wurden, weil sie fünf Minuten zu lang auf dem Scheißhaus gesessen haben. Ich habe Sachen gesehen, über die ich nicht mal reden will. Aber bevor man eine Sache beseitigt, sollte man etwas Besseres an ihre Stelle zu setzen haben. Jedenfalls etwas Besseres als politische Latrinenparolen und Haßtiraden in Parks und öffentlichen Plätzen.
Und außer diesem emotionalen Gefasel ist bisher nichts zu hören gewesen. Keine Spur von einem realistischen Konzept, keine Spur von Anführern, die wenigstens untereinander einig sind; nicht ein Hauch von Gewißheit, daß der Revolution nicht wie gehabt der Verrat an der gemeinsamen Sache folgen wird. Ich bin für Gewaltanwendung, wenn es keine andere Lösung mehr gibt (und es gibt keine andere mehr), aber bevor ich einen umlege, will ich sicher sein, daß man mir nicht wieder ein ähnliches Kaliber an seine Stelle setzt. Auf die Tour haben wir bereits einen ansehnlichen Teil Geschichte verspielt, wie ein Haufen besoffener Würfelspieler im Männerklo unserer Stammkneipe an der Ecke. O. K., es ist eine Sache, von Revolution zu faseln, während man einem anderen das Bier wegsäuft und mit einer l6jährigen Ausreißerin aus Grand Rapids durch die Gegend walzt; oder während man 3
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