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Aufzeichnungen eines Außenseiters

Aufzeichnungen eines Außenseiters

Titel: Aufzeichnungen eines Außenseiters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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sie.
»Klar.«
»Autos dürfen nicht auf die Schienen.«
»Ganz meiner Meinung. Die Polente würde uns sonst verhaften.«
»Und wir wollen nicht, daß uns die Polente verhaftet, nicht?« »Mhm.«
»Marty is ganz voller Blut, nicht?«
»Sieht mir ganz danach aus.«
»Sind wir daraus gemacht?«
»So ziemlich.«
»Was so ziemlich?«
»Na eben Blut und Knochen und Schmerzen.«
Sie saßen da und spielten >Build A City<. Man hörte die Sirenen. Eine Ambulanz, die zu spät kam. Drei Überfallwagen. Eine weiße Katze strich an Marty vorbei, roch kurz an ihm und verschwand mit einem Satz. Eine einsame Ameise kroch über seine linke Schuhsohle.
»Freddie.«
»Was ist?«
»Ich muß dir was sagen.«
»Ja?«
»Diese Leute haben Mama in den Arsch gelangt und haben ihr lauter Scheiße rausgeholt mit ihren Fingern . . .« »O. K. Ich glaub dir's.«
»Wo ist Mama jetzt?«
»Ich weiß nicht.«
Mama rannte unten die Straße rauf und runter und erzählte es all den Zeitungsjungen und Verkäufern und Kellnern und Deppen und Sadisten und Halbstarken auf Motorrädern und abgemusterten Matrosen und Gammlern und Schnorrern, und so weiter, und so weiter, und der Himmel war blau und das Brot sauber in Zellophan verpackt, und das erste Mal seit Jahren war Leben in ihren Augen, echtes, herrliches, sprühendes Leben. Aber der Tod war eine langweilige Sache. So langweilig, daß sich nicht einmal Katzen und Ameisen damit aufhielten.
    Die Flüsse führen Hochwasser, eine elektrische Spannung liegt in der Luft, den Lehrern rutscht immer häufiger die Hand aus, und die Würmer fressen sich durchs Korn; die MGs werden in Stellung gebracht, und die Bäuche sind weiß, und die Bäuche sind schwarz, und die Bäuche sind Bäuche. Der ganze repressive Automatismus läuft auf Hochtouren; auf wahllosen Opfern wird wahllos herumgedroschen; Gerichtssäle sind Aufnahmestudios, in denen der letzte Akt zuerst gedreht wird, und alles was davor kommt ist nichts als Vaudeville. Menschen werden in Hinterzimmern verhört, und wenn sie wieder herauskommen, sind sie nur noch halbe Menschen oder gar keine mehr. Einige setzen ihre Hoffnung auf einen Umsturz, doch wenn sie ihre Revolution gemacht und eine neue Regie rung eingesetzt haben, stellt sich heraus, daß es dieselbe alte Chimäre ist, nur hat sie sich eine neue Maske aufgesetzt. Die Bullen von Chicago machten einen Fehler, als sie einigen Reportern unserer großen Zeitungen eins überzogen — der Schlag auf den Hinterkopf mochte immerhin einige nachdenklich stimmen; und bei den großen Zeitungen hat man sich das Nachdenken seit 1917 abgewöhnt — wenn man von der ehemaligen New York Times und einigen Ausgaben des Christian Science Monitor absieht. Man kann Open City den Pro zeß machen, weil auf ihren Seiten ein alltäglicher Teil der menschlichen Anatomie abgebildet ist, aber wenn man den Leitartikler eines Blattes mit Millionenauflage in den Arsch tritt, muß man sich darauf gefaßt machen, daß er anfängt, die Wahrheit zu schreiben — und nicht nur über Chicago — und sich einen alten Gummi drum schert, ob sich das auf den Anzeigenteil auswirkt oder nicht. Er braucht nur noch einen einzigen Leitartikel durchbringen, bevor er gefeuert wird — das würde schon reichen, um eine Million Leser zum Nachdenken zu bringen; und wer weiß, was für Folgen das haben könnte.
Aber die Daumenschrauben sitzen zu fest. Und die Wahl zwischen Nixon und Humphrey läuft auf das gleiche hinaus, als wenn man uns beim Mittagessen die Wahl zw ischen kalter und aufgewärmter Scheiße läßt.
Es sieht wirklich nicht sehr danach aus, als stünden die Zeichen auf Veränderung. Die Geschichte mit Prag hat vielen einen Dämpfer aufgesetzt, die Ungarn schon wieder verges sen hatten. Und in den Parks hängen sie nach wie vor herum mit ihren Che Guevara Plakaten und mit Castro -Ansteckern am Jackett und rennen hinter Allen Ginsberg, Jean Genet und William Burroughs her und machen auf OOOOOOOMMMM OOOOOOOOMM wie importierte indische Heilige. Diese Schrift steller gehen auf die Straße, und eine Meute von Idioten hängt sich an sie und kaut ihnen ihren geistigen Schwanz ab. Schreiben funktioniert nur, wenn man mit seiner Schreib maschine ALLEIN ist. Ich habe genug Fabriken, Bordelle, Zuchthäuser, Bars und Seifenkistenredner erlebt, genug für die Lebzeiten von hundert Zeitgenossen. Einer, der auf die Straße geht, nachdem er einen großen Namen hat, macht sichs leicht — und muß damit rechnen, daß es schief geht. Thomas und Behan haben

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