Auge um Auge
nicht an. Ich halte sehr viel von ihr, und ich habe nicht die Absicht, den Mann, der für ihren Zustand verantwortlich ist, einfach so davonkommen zu lassen.«
»Selbst wenn sie es anders haben wollte?«
»Ja. Deshalb sollten Sie lieber gehen, Rabbi, falls Sie nicht einfach eine Tasse Tee mit mir trinken wollen.«
»Gott helfe Ihnen, Sean.«
Bernstein ging zur Tür, die Dillon für ihn aufhielt.
»Tut mir Leid, Rabbi.«
Bernstein verließ die Wohnung. Dillon schloss die Tür, zögerte und kehrte dann ins Wohnzimmer zurück.
Das Telefon läutete. Dillon hob ab und vernahm Fergusons Stimme. »Morgen um elf in meiner Wohnung. Ich erwarte Sie.«
»Ich komme«, sagte Sean Dillon und legte auf.
Am folgenden Morgen schaute er im Krankenhaus vorbei und stellte fest, dass Hannahs Zustand zwar schlecht, aber stabil war. Sie erhielt die beste Behandlung, die man in London bekommen konnte – mit weniger gab Ferguson sich nicht zufrieden –, und deshalb gab es nichts, was Dillon für sie tun konnte.
Wieder zu Hause, kleidete er sich in schwarzes Leder, zog eine schwarze Bomberjacke an und legte einen weißen Schal um. Dann nahm er die dunkelgraue Kunststoffurne, verließ das Haus und ging zu Fergusons Wohnung am Cavendish Place. Kim führte ihn zu Ferguson, der mit einer Tasse Tee und ein paar Scheiben Toast am Kamin saß.
»Ich hatte noch keine Zeit zum Frühstücken. Blake telefoniert in meinem Arbeitszimmer gerade mit dem Präsidenten. Er kommt gleich. Nehmen Sie sich doch was zu trinken. Ich weiß ja, dass Sie früh anfangen.«
Dillon goss sich einen Bushmills mit ein wenig Wasser ein. »Irgendwas Neues aus Nordirland?«
»Bell ist tatsächlich da, zusammen mit seinen drei Spießgesellen Tommy Brosnan, Jack O’Hara und Pat Costello. Stimmen die Namen?«
»Ja.«
Blake kam herein. »Der Präsident lässt Sie alle herzlich grüßen. Er macht sich große Sorgen um Hannah. Sollte sie irgendetwas brauchen, zum Beispiel eine Spezialbehandlung, müssen Sie’s nur sagen.«
Die Türglocke läutete. Kim erschien und blickte Ferguson fragend an. Als dieser nickte, öffnete der Gurkha die Wohnungstür und führte Paul und Kate Rashid herein.
Sie trug einen schwarzen Hosenanzug, er eine lederne Bomberjacke, einen Pullover und Slacks. Beide schienen guter Laune zu sein.
»Etwas zu trinken, Sir?«, fragte Ferguson. »Kaffee, Tee – oder etwas Gehaltvolleres?«
»Ich nehme dasselbe wie Dillon«, sagte Kate.
»Einen Bushmills um Viertel nach elf am Vormittag? Damit muss man aufgewachsen sein, Mädchen.«
»Nun, ich muss es doch mal versuchen, nicht wahr?«
»Wie Sie wollen.« Dillon schenkte ihr Whiskey ein und goss ein wenig Wasser dazu. »Der älteste Whiskey der Welt, sagt man. Von irischen Mönchen erfunden.«
Kate nahm einen kleinen Schluck. »Superintendent Bernstein ist heute nicht bei uns?«
»Sie hat Glück, dass sie überhaupt noch bei uns ist. Sie liegt im Krankenhaus auf der Intensivstation. Als wir gestern Abend in meine Wohnung kamen, hat dort ein Bursche namens Ali Salim gewartet. Ich habe ein wenig nachgeforscht. Ein Fanatiker von der Partei Gottes.«
Erst herrschte Schweigen, dann fragte Paul Rashid: »Wie geht es Superintendent Bernstein?«
»Na, blendend«, erwiderte Dillon. »Ihr Magen ist beschädigt, die Blase, die Milz, im linken Lungenflügel war eine Kugel und das Rückgrat ist verletzt. Genau das, was man erwartet, wenn ein religiöser Fanatiker drei Schüsse auf eine Frau abgibt.«
»Und dieser Ali Salim?«, fragte Kate Rashid vorsichtig. »Wo ist er?«
»Auf dem Tisch da drüben.« Dillon deutete mit dem Kinn auf die dunkelgraue Kunststoffurne. »Ich habe Ihnen seine Asche mitgebracht. Sechs Pfund. Mehr ist nicht von ihm übrig.« Er schenkte sich noch einen Bushmills ein. »Ach, ich hab’s Ihnen wohl noch nicht erzählt? Ich habe den Bastard erledigt, nachdem er auf Bernstein geschossen hatte.«
Kate nippte an ihrem Whiskey, dann nahm sie ein Etui aus ihrer Handtasche und holte eine Zigarette heraus. Dillon gab ihr Feuer. »Bitte schön.«
»Es tut mir Leid«, sagte sie. »Die Sache mit Superintendent Bernstein.«
»Tja, das ist auch nicht weiter verwunderlich. Schließlich war nicht sie gemeint, sondern ich.«
»Tatsächlich?«
Paul Rashid mischte sich ein. »Weshalb sind wir hier, General Ferguson?«
»Weil ich Sie bereits gewarnt hatte, Rashid, und jetzt sage ich es ganz offen: Wenn Sie
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