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Auge um Auge - Moonbow #1 (German Edition)

Auge um Auge - Moonbow #1 (German Edition)

Titel: Auge um Auge - Moonbow #1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Madea
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verbracht.
    Er nahm einen Schluck heißen schwarzen Kaffee und atmete tief durch. Wenigstens sein Instinkt hätte ihn warnen müssen. Hatte er aber nicht. Dadurch waren seine Vorhersagen meist nicht eingetroffen – kein Wunder, wenn anstatt einer blinden, ängstlichen und unentschlossenen Person auf der Flucht ein Begleiter die Führung übernommen hatte, der völlig andere Eigenschaften und Gründe für sein Handeln mitbrachte.
    Nicht View hatte die Entscheidungen getroffen, sondern Touch.
    Es ergab auf einmal alles einen Sinn.
    Er sprang auf. Die plötzliche Erkenntnis traf ihn wie ein Blitzschlag. Nun wusste er genau, wo View hinwollte. Sie würde nicht ohne ihren Führer Touch, ängstlich und verlassen, nur noch in ihr sicheres Zimmer, zu ihrem Piri, ins Labor zurückkehren wollen. Nein!
    Ihr Ziel war Touchs Ziel. Sein Vater Steven!
     
    *
     
    Etwas Hartes streifte Views Füße. Ihr Verstand meldete, sie müsse unbedingt reagieren, doch ihr Körper tat ihr den Gefallen nicht. Seit einer gefühlten Ewigkeit dümpelte sie in der Rettungsweste hängend in Rückenlage an der kalten Wasseroberfläche. Doch das Zeitgefühl sowie das Gefühl für ihren Körper hatten sie verlassen, es konnten nur einige Minuten, vielleicht ein, zwei Stunden vergangen sein. Sie war ausgefüllt mit taubem Schmerz, selbst die Angst, zu sterben, fühlte sich inzwischen taub an. Wahrscheinlich stand sie schon an der Schwelle zum Tod, weshalb ihre Vernunft ihr suggerierte, dass es in Ordnung ging, loszulassen.
    Endlos trieb sie dahin … bis ihre Beine wieder irgendwo gegen stießen . Ein Schmerz drang durch den Schutzwall ihrer Erschöpfung, die Kälte ihrer Glieder. Felsen? Ein Hai? View blinzelte, doch sie bekam die verklebten Lider nicht auf. Jede Regung des Gesichts spannte. Allmählich weckten sie jedoch die bissigen Nadelstiche im Bein. Das, was sie durch die geschlossenen Augenlider wahrnahm, war nicht mehr Schwarz. Es dämmerte. Die stürmische Nacht war vorüber, der Sonnenaufgang und damit ihr endgültiges Verderben nahte.
    Du musst unbedingt nach Süden schwimmen, dahin, wo die Sonne mittags vor dem Zenit stehen würde, hatte Piri gesagt, ihr geliebter Begleiter, der sie wie alle immer nur belogen hatte. Dennoch war sie anstandslos seiner gewiesenen Richtung gefolgt, den absichtlich für sie so barsch ausgesprochenen Worten. Ein Befehl. Niemals hatte er Befehle formuliert. Sie hatte versucht, nach Norden zu schwimmen, doch sie glaubte nicht wirklich daran, dass sie tatsächlich irgendeiner klaren Richtung gefolgt war. Sie war nach dem Kentern des kleinen Bootes einfach nur ein Spielball der meterhohen Wellen, und als das Unwetter abflaute, hatte sie nicht einmal mehr die Kraft besessen, die Beine überhaupt zu bewegen.
    Vertraue auf deine Stärken. Du weißt, worin du unschlagbar bist.
    Was meinte er bloß? Sie war gut darin, das zu tun, was andere von ihr erwarteten. Sie konnte die Gefühlswelt anderer wahrnehmen und jemanden erblinden lassen. Das war’s. Das hatte Piri sicher nicht gemeint. Was sollte sie also mit diesem seltsamen Hinweis? Und das Band hatte sie im Sturm zu allem Überfluss verloren. Ach, wozu grübelte sie noch?
    Was hatte sie eigentlich aus ihrer betäubenden Trance geweckt? Trauer, Furcht und Beklemmung kehrten mit dem Schmerz in ihrem Bein zurück. Das wollte sie nicht. Sie fühlte sich zu schwach für noch weitere Qual.
    Du bist das Wunder, das wir alle brauchen.
    Sie war diejenige, die das Wunder brauchte. Ein krächzender Schluchzer entrang sich ihrer Kehle. Irgendwie schaffte sie es, die vor Kälte taube Hand zu ihrem Gesicht zu heben, und mit dem Meerwasser über ihre verklebten Augen zu reiben. Es brannte, aber es tat gut, den dunkelblauen Himmel und die verblassenden Sterne zu sehen. Erst, als eine Welle sie wieder über etwas Spitzes zog und ein reißender Stich ihr durch den Oberschenkel fuhr, erwachte sie anscheinend vollständig aus ihrem Delirium. Unter ihr mussten sich spitze Felsen befinden.
    Zwei Gedanken stürmten gleichzeitig auf sie ein. Die Rettung – durch Land. Der Tod – durch scharfkantigen Fels.
    View konnte sich in der Rettungsweste kaum bewegen. Sie hielt sie in Rückenlage eher waagerecht knapp unterhalb der Wasseroberfläche. Woher sie die Kraft nahm, wusste sie nicht. Wahrscheinlich war es der verzweifelte Kampf gegen das Sterben, das sie eigentlich bereits akzeptiert hatte. Nicht bewusst, dachte sie und zwang sich, beide Augen zu öffnen und den Kopf vom Nackenpolster

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