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Auge um Auge - Moonbow #1 (German Edition)

Auge um Auge - Moonbow #1 (German Edition)

Titel: Auge um Auge - Moonbow #1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Madea
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wollen.
    Erneut ließ sie ihre Tränen laufen, während sie sich mit der nassen, salzverkrusteten Kleidung unter die Dusche stellte und sich mit dem schwachen Wasserstrahl wusch. Sie schälte sich aus den Sachen und hängte sie über die Reling zum Trocknen. In einem winzigen Schrank fand View ein zerschlissenes, aber sauberes Männerhemd. Sie zog es an und band das lange Teil um die Taille mit einem Stück Kordel fest. Langsam taute ihr Körper auf.
    An Deck hielt sie ringsum nach Land Ausschau, entdeckte aber keines. Sollte sie in die Richtung weiterfahren, in die der Kompass vorher gezeigt hatte? Sie blinzelte. Die Sonne senkte sich hinter den dichten Wolkenbergen, machte sich bereit zum Abstieg gen Westen. Wenn sie aber nach Osten fuhr, mit der Sonne im Rücken, müsste sie direkt auf die kanadische Küste zusteuern, oder?
    Gedankenverloren betrachtete sie ihre Turnschuhe, die achtlos in einer Ecke auf dem Deck lagen, dort, wo sie sie sich panisch abgestreift hatte, um besser schwimmen zu können. Nicht eine Sekunde hatte sie daran gedacht, dass es hier vermutlich Haie oder andere Raubfische gab, die sie als Leckerbissen hätten ansehen können. Sie schluckte schwer. Hoffentlich war Zac bewusstlos oder schon tot gewesen, bevor irgendein Räuber der Meere sich ihn geschnappt hatte.
    Sie hob die Schuhe auf und zog sie im Sitzen an. Der Sonnenbrand auf den Füßen spannte unangenehm, ebenso der im Gesicht und auf den Armen. Sie strich über das Hightechband, das immer noch fest an einem Schnürsenkel hing. »Was soll ich bloß tun, Piri?«
    Was gäbe sie dafür, mit ihm sprechen zu können. Er hätte einen Rat für sie, er wüsste, wohin sie fahren müsste, er würde ihr helfen, ihr die genaue Richtung vorgeben. Davon war sie überzeugt. Wieder seufzte sie. Sie wusste ja nur zu gut, dass sie das Band nicht umlegen durfte, um Piri zu aktivieren. Nicht, solange sie nicht auf dem Boot im Sterben lag und so weit war es noch lange nicht. »Noch lange nicht«, sagte sie fest entschlossen. »Ich habe Trinkwasser, Benzin und … Genau!« Warum war sie nicht früher darauf gekommen? Sie quälte sich hoch und durchwühlte die Anglertruhe, dann die Schubladen in der Küche. Nichts. Wieder oben, fand sie es endlich in einem Fach neben dem Steuerrad – ein Fernglas.
    Es dauerte, bis ihre lädierten Augen ein einigermaßen scharfes Bild durch das Fernglas sahen . Die Sonne strahlte unter den Wolken hindurch. Gefächerte, gleißende Strahlen ließen die bewegte Wasseroberfläche atemberaubend farbenfroh glitzern. Wann hatte sie das letzte Mal so etwas Schönes gesehen? Silberne, gelbliche und rötliche Funken schienen gemeinsam auf dem Wasser zu tanzen. Natur pur – Glück pur. Warum empfand sie so? Kannte sie diesen Anblick? Hatte sie in der Nähe der Küste gewohnt oder an einem anderen friedlichen Ort? Sie war traurig wegen Zac, zutiefst verängstigt und verunsichert wegen der Flucht aus dem Labor und ihres Gedächtnisverlusts. Dennoch fühlte sie so etwas wie Glück, wenn sie etwas natürlich Schönes sah.
    Doch entfernte Berge entdeckte sie leider nicht. Die Wolken hingen noch zu tief und waren zu dicht. Die Luft wirkte diesig. Warum hatte Zac ihr nie gesagt, wohin er mit ihr wollte? Zu seinem Dad, ja, aber wo verdammt noch mal wohnte der? Oder hatte er doch? »Hat er«, hauchte sie dünn, als ihr einer seiner letzten Sätze einfiel. »Stevens Insel.« Sie brauchte die richtige See- oder Landkarte. In den Schubladen unten hatte sie vorhin neben allerlei Krempel einige Karten gesehen.
    Endlich hatte sie die richtige von der Straße von Georgia aufgeschlagen, auf dem Boden ausgebreitet und mit ihren Schuhen befestigt, damit sie im steten Seewind nicht wegflatterte. Sie suchte und suchte. Das Dämmerlicht schwand und mit ihm die Sicht. Keine Insel namens Stevens Island.

Tag 9
    Blindheit
     
     
     
    Eleonore legte den Fön beiseite und kämmte ihr langes graues Haar vor dem kleinen Spiegel durch. Langsam und routiniert flocht sie sich einen Zopf, während die Müdigkeit aus ihren Augen sprach. Die tiefen Falten und dunklen Ringe waren schon lange zur Normalität für sie geworden. Sie schlief seit damals schlecht durch die Sorge um Joy, mit einem Killer im Nacken und der verzweifelten Hilflosigkeit im Herzen einer kränkelnden Oma.
    »Oma«, sagte sie und wickelte das Haargummi fest. Mutter und Vater, ihr Sohn, ihr geliebtes Kind, konnten Joy nicht mehr zu Hilfe kommen. »Du bist gefragt, wenn du dich Großmutter nennen

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