Augen der Nacht (Dunkelmond Saga) (German Edition)
Es roch modrig, nach
allerlei Unrat. Geschwind kletterte sie hinunter und folgte
dem Gang bis zum Ende. Dort war eine Tür. Vermutlich die
Vorratskammer. Faseriger Geruch stieg in ihre Nase. Sie sah
ein verstaubtes Regal mit Flaschen. Als sie eintrat, hörte sie
leise Geräusche. Sie kamen vom Boden, aus allen Ecken. Als
sie hinunterblickte erkannte sie Ratten.
Sie schrie, voller Entsetzen, griff sich zwei Flaschen und
rannte zurück.
*
Als sie oben ankam, brannte eine Kerze. Der Mann hatte
Willets Arm befreit und begann, ihn zu untersuchen.
„ Dort ist ein Topf “, rief er , „kipp‘ eine da rein.“
„ Aber sie haben Korken.“
Daraufhin nahm er ihr eine Flasche ab und zerschlug den
Kopf an einer Tischkante. Die stark riechende Flüssigkeit
schüttete er in den Topf und legte ein Küchenmesser, so wie
Nadel und Faden hinein.
„ Gib her“, nahm er die zweite und entkorkte sie mit den
Zähnen. Einen Teil des Inhalts goss er über die blutende
Wunde und vom Rest trank er selbst.
„Du musst mir leuchten“ , ordnete er an, „ komm näher, ich
kann sonst nichts sehen!“
Der Anblick war schrecklich. Auf dem Boden hatte sich
bereits eine Blutlache gebildet. Und sie wurde immer noch
größer. „ Noch näher“, befahl er, „ du musst das Licht direkt
über die Wunde halten.“
Vell sah, wie er sich fast blind an die Arbeit machte. Immer
wieder griff er dabei zur Flasche und trank. Seine Hände
zitterten, doch beim Nähen waren sie unglaublich ruhig.
„ Wird er es schaffen ?“
„Kommt darauf an, er hat ziemlich viel Blut verloren.“ „ Dann sagt mir, was ich tun kann, bitte.“
„Das Licht ruhig halten“, bestimmte er, „ der Rest liegt allein
in Gottes Hand."
Die Zeit schien still zu stehen, genau wie ihr Atem. Es kam
ihr vor, als würde es ewig dauern. Sie harrte, bangte.
Bis zu dem Moment da der Arzt endlich aufsah.
„ Ich glaube das war‘s“, faselte er, „ mehr kann ich nicht für ihn
tun.“
Er riss ein Stück von Willets Hemd ab und badete es im
Alkohol.
„ Jetzt geh und hol meinen Mantel, er hängt im Flur.“ Gemeint
hatte
er
einen
großen,
mottenzerfressenen
Umhang. Vell holte ihn und er breitete ihn über Willet.
„ Gib Acht, dass er warm bleibt“, befahl er „ ich komme später
wieder.“
Den Rest Branntwein nahm er mit und machte sich damit
auf den Weg nach oben.
*
Der
runde Mond leuchtete.
Die Stadt
lag nun
in
den
Händen der Nacht, wie die große Residenz des Markgrafen.
Alle Gäste waren gegangen, bis auf jene, die noch auf das
Ende warteten.
Auch der Markgraf war anwesend. Er war an einen Stuhl
gefesselt und um ihn herum standen zwölf Männer mit
Masken.
„ Es war dein Laster“, bestimmte der Richter, „ deine Lust auf
kleine Jungfrauen.“
„Sie hat mich verhext“, beteuerte der Graf, „ ich
habe
niemandem davon erzählt.“
„Einem schon“, versicherte
der
Großmeister, „ er hatte
Kontakte zum Königshaus.“
„Davon wusste ich nichts“, beteuerte der Gefangene, „ ihr
müsst mir glauben.“
„Müssen wir?“, fragte der Richter zweifelnd, „ oder willst du
uns nun um Gnade anflehen?“
„Er muss bestraft werden“, fand der Schatzmeister, „ unser
Verlust ist zu groß.“
„Als ob es nur euer Verlust wäre“, zürnte der Markgraf, „ ohne
mich seid ihr gar nichts!“
„Hört ihr das ? Er frevelt schon wieder.“
„Still!“, befahl der Richter, „ wir alle haben gefrevelt. Nun will
Gott uns auf die Probe stellen.“
„Die Prophezeiung
wird
sich
erfüllen“, erwiderte
der
Großmeister, „ alte Feinde werden auferstehen. Und uns in ein
dunkles Zeitalter stürzen.“
„Nicht, wenn ihr den Dämon findet und zur Strecke bringt“, entschied der Richter, „ aber der Herr aller Schatten verlangt
ein Opfer, sonst wird er uns alle bestrafen.“
„Dann opfern wir eben den Schuldigen“, bestimmte
der
Schatzmeister, „ sowie es das Gesetz verlangt.“
„Nein!“, wehrte sich der Graf, „ verschwindet aus meinem
Haus!“
„Dies ist nicht mehr dein Haus“, versicherte der Richter, „ zu
viel Blut wurde durch deine Verblendung vergossen und du
zeigst
noch
nicht
einmal Reue
dafür.
Sühne aber muss
geschehen, wenn nicht durch dich, dann durch dein Blut.“
„Ihr seid doch von Sinnen!“, empörte sich der Graf, lasst mich
gehen und wir werden diese Sache vergessen!“
Der Markgraf sah wie der Richter ein Messer zog. Es war
groß und lang. Die Klinge mit der er sonst Schlangen tötete.
„ Bitte!“, stammelte er, „ ich tue was ihr
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