Augen der Nacht (Dunkelmond Saga) (German Edition)
ein einfaches, aber
nahrhaftes Frühstück einzunehmen.
Es gab Brot und Eier. Und ein dicker Mann sorgte dafür,
dass jeder genug abbekam.
Einzig der Patrizier fehlte. Offenbar zog er es vor, darauf zu
verzichten.
Bei Tageslicht sahen die Seeleute nicht mehr so bedrohlich
aus. Doch ihre Augen stellten
Velura nach. Ein Grund,
weshalb sie bei Willet Schutz suchte.
„ Beachte sie gar nicht“, empfahl er, „ sonst muss ich mich
prügeln.“
„ Das
versuche
ich.
Aber
sie
hören
nicht
auf
mich
anzustarren“
„ Das ist der Fluch der Sirenen.“
„Der Fluch der Was?“
„Das sind schöne Frauen, die Unglück bringen.“
„Du meinst mich?“
Willet schmunzelte. „Ein alter Aberglaube“, erklärte er, „ aber
falls ich eine echte sehe, sage ich ihr, dass sie gegen dich keine
Chance hat.“
„ Sehr witzig.“
Sie war tatsächlich die einzige Frau an Bord, und das nun
zehn ganze Tag lang.
Auch Rolin stellte eine Minderheit dar.
Mürrisch saß er auf einem Fass und starrte auf die endlose
See. Er hatte das Essen verweigert und widmete sich seiner
Pfeife. Tengol war der einzige, der ihm beistand.
*
„ Wie geht es ihm?“, erkundigte sich Willet.
„ Den Umständen entsprechend“, entgegnete Tengol, „ noch
haben wir genug Tabak.“
„Wird er für die Überfahrt reichen?“
„Das hoffe ich,
falls
nicht,
bleibt
uns
nur
noch
der
Branntwein.“
Mit ernster Miene biss der Nordmann in sein Brot und sah
hinaus aufs Meer. Es erstreckte sich in alle Richtungen, zu
einem endlosen Horizont.
„Was ist mit der Kleinen? Sie sollte nicht hier sein.“
„Das war nicht meine Idee“, gestand Willet, „ sondern die des
Königs.“
„ Und wie stellst du
dir
das
vor?
Diese
Mission
ist zu
gefährlich. Sie ist kein Mann, sondern ein Mädchen.“
„Ja,
ist mir
aufgefallen“, versicherte Willet,
worauf
der
Nordmann ihn zornig ansah. Sein Antlitz war rot. Seine
Adern pulsierten. „Und was jetzt, du Klugscheißer? Was zur
Hölle willst du jetzt machen?“
„Sie beschützen “, erwiderte Willet , „und dafür brauche ich
deine Hilfe.“
Tengols Stirn zog Falten. „ Was?“
„Sie muss kämpfen lernen“, erklärte Willet, „ so wie wir alle.“
*
Vell
erfuhr erst später von ihrem Glück, als das Mahl schon
lange vorbei,
„ Es wird nicht leicht werden “, erklärte ihr Tengol, „ weil du
nicht so viel Kraft hast. “
„Er glaubt, dass Frauen mit Waffen nicht umgehen können“, übersetzte Willet, „ also beweisen
wir
ihm hiermit das
Gegenteil.“
„Und wer unterrichtet mich?“
„Er“, entschied Willet, „ und ich, je mehr du von uns lernen
kannst, desto besser.“
Vell blickte in zwei todernste Gesichter.
„ Und wann fangen wir an? “
*
An diesen Vormittag gab es nichts anderes mehr. Zuerst
erklärte ihr
Tengol welche Klingen
es
gab.
Doch
sein
Schwert war so schwer, dass sie es nicht einmal halten
konnte. Das Einzige, was ihr lag, war sein Drachendolch. Er
maß ihr vom Ellbogen bis zu den Fingerspitzen und war die
einzige Waffe, die sie mit einer Hand führen konnte. Auf
seine Anweisung hin übte sie die verschiedenen Angriffsund Abwehrpositionen. Die Vorstellung, etwas zu lernen,
was sonst nur Männern vorbehalten war, machte ihr großen
Spaß.
Sie versuchte,
sich
einzuprägen,
wie Tengol
sie
ausführte. Es war wie ein Spiel, ein Ablauf von Bewegungen.
Und während sie übten, saß Willet oben in der Takelage
und sah ihnen zu.
*
Erst gegen Mittag bekamen sie neue Zuschauer, darunter
auch
den
frisch
kostümierten
Patrizier.
Mit
seinen
Ausgehmantel gesellte er sich an die Reling und sah ihnen
zu. „Sehr hübsch“, applaudierte er, „ sie ist jetzt reif für die
Tanzgruppe des Sultans.“ .
„Euer Gesicht könnte Puder vertragen“, fand Willet, „ warum
geht ihr nicht und legt etwas nach?“
„Nein danke, ich fürchte, das hier ist amüsanter.“
Willet zögerte. Dann sprang er aus der Takelage und kam
auf ihn zu.
„Wollt ihr Stunden, Syrer? Ich kann sie euch geben!“ „ Wie überaus aufmerksam von dir“, lächelte die Schranze,
„ aber die Fechtkunst erlernt man nur von jemandem, dem
man
Gehorsam schuldet.
Oder
von
jemandem,
den man
fürchtet. Beides ist leider nicht der Fall, weshalb ich nur wenig
Hoffnung sehe.“
„ Ihr wollt also kneifen?“
„Ich will dich warnen. Die Kleine lebt keinen Tag länger durch
deine Hilfe. Du solltest ihr etwas für dein Bett beibringen und
sie Leuten überlassen, die sich damit auskennen.“
Willet hielt inne.
„ Soll das heißen,
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