Augen für den Fuchs
zu Hause, fand es nicht in der Tasche oder hatte es einfach nicht bei sich. Tuuut. Tuuut. Tuuut. Der Fall nahm wohl doch kein schnelles Ende. Die Krankenschwester Anita Demand nahm nicht ab.
Berger saß mit seinen Kollegen hinter den Pulten. Er schaute ihr auffordernd ins Gesicht. Beetz kannte seine Marotten und die seiner Kollegen. Sie interpretierte die Sticheleien als Vertrauensbeweis für gute Arbeit, denn wütend oder in Rage wollte sie diesen Trupp von Technikern nicht erleben. Die ehemalige Hauptkommissarin der Mord zwo, Agnes Schabowski, hatte das Arbeitskollektiv Kriminaltechnik Berger einmal zusammengeschissen. Beetz hatte nicht an ihrer Stelle sein wollen, als Berger samt Kollegen zur Gegenoffensive blies. Es stand außer Zweifel, Berger und seine Mannen kannten sich in ihrem Job aus und leisteten hervorragende, vor allem schnelle Arbeit. Aber sie wussten um die eigenen Qualitäten, und das ließen sie die Kommissare spüren. Beetz lächelte und hoffte, die Techniker durchschauten nicht, dass sie alles nur eines Ermittlungserfolgs und nicht ihretwegen tat. Sympathie hegte sie nicht für diese Mannen. Die waren zu tumb und zu sexistisch. Aber sie war auf die Zusammenarbeit angewiesen. Tuuut. Tuuut. Tuuut. Verdammt! Es war ihre einzige Spur, und nun ging diese Anita Demand nicht an ihr Handy. Beetz lief der Schweiß den Rücken hinunter. Die Techniker lachten.
»Hallo?«
Tuuut. Tuuut. Vielleicht hatte ihr Schwester Monique doch eine falsche Telefonnummer gegeben. Vielleicht gab es diese Nachtschwester gar nicht. Vielleicht hatte Anita Demand sie in der Geutebrückstraße belogen. Tuuut. Tuuut. Tuuut.
»Welche Zeugin ist denn nicht zu erreichen?«
Beetz überhörte den eindeutig süffisanten Unterton in Bergers Stimme. Sie kam mit der Art dieses Mannes einfach nicht klar. Entweder behandelte er alle Untergebenen auf solch ironische Art, oder sie war seinem Humor nicht gewachsen.
»Ich suche die Nachtschwester von der Station, auf der man heute Morgen Frank Stuchlik gefunden hat. Das Personal hat mir ihre Adresse gegeben, aber die ist offensichtlich falsch. Die Frau, zu der man mich geschickt hat, weiß von nichts. Und ich bin unpassenderweise in eine Geburtstagsfeier geplatzt.«
»Hoffentlich gab’s ein Stück Kuchen. Wir haben den ganzen Tag noch nichts gegessen.«
Berger war dermaßen ich-zentriert, Beetz konnte es kaum fassen. Außer ihm galt nichts hier in seinem Labor. Auch sie hatte sich heute nur schnell an einem Bratwurststand eine Thüringer in den Magen geschoben. Die rumorte in Beetz’ Eingeweiden, und der Geschmack lag ihr noch immer auf der Zunge. Entweder hatte sie die Wurst zu hastig gegessen, oder die Gewürze hatten ihre Schleimhaut gereizt. Doch das interessierte Berger sicher nicht. Denn der saß hier bei seiner Arbeit und konzentrierte sich mit zwei Kollegen ganz auf die Apparaturen. Sie drehten an Rädchen und drückten auf Schalter. Kleine Lämpchen blinkten wie auf dem Jahrmarkt. Sie lächelte, als sie zu ihr aufschauten. Sie fühlte sich unwohl.
»Hallo?«, sagte Beetz ins Handy.
Tuuut. Tuuut. Tuuut. Noch immer meldete sich niemand am anderen Ende. Wer auch immer an den Apparat gehen würde, er musste Beetz zu der Frau hinter dem Namen Anita Demand führen. Monique hatte ihre Kollegin unter dieser Nummer erreicht. Sie musste die Richtige sein, ohne Zweifel. Und wie oft hatte Beetz selbst ihr Handy überhört oder irgendwo liegen lassen. Monique hatte bestimmt oft mit Anita Demand telefonieren müssen, wenn sich Dienstpläne geändert hatten oder eine Krankheit ihren sofortigen Einsatz forderte. Aber niemand drückte die Gesprächstaste. Tuuut. Tuuut. Tuuut. Anita Demand aus der Geutebrückstraße war nicht die Richtige, vielleicht war auch diese Handynummer einfach nur falsch. Aber ihr Gefühl sagte ihr, dass Anita Demand aus der Geutebrückstraße nicht gelogen hatte. Aus welchem Grund auch immer schienen zwei Anita Demands zu existieren, eine, die unter diesem Namen im Rehabilitationszentrum Nachtwachen schob, und eine, die mit ihrer Mutter den Siebzigsten feierte. Und wer immer den Anruf jetzt annahm, er würde sie zur unbekannten Anita Demand führen.
»Hallo?«
Tuuut. Tuuut. Tuuut. Beetz hatte trotzdem Zweifel und rechnete damit, dass bei dem geringsten Verdacht das Gespräch unterbrochen werden würde. Auch deshalb ließ sie die Verbindung von vornherein von Berger überwachen. So konnten sie schon selbst bei schnellem Auflegen vielleicht den Standort lokalisieren,
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