Augen für den Fuchs
können kommen? Sofort?«
»Yo.«
Mit diesem schnellen Erfolg hatte Beetz nicht gerechnet. »Wann können Sie da sein?«
»Dreivürtel, chalbe Stund.«
»Machen Sie so schnell, wie Sie können. Hier steht alles Kopf.«
»Nu, ich werd fersuchen.«
Damit war das Gespräch beendet. Mehr war auch nicht zu sagen gewesen. Beetz hielt das Handy in ihrer Hand und schaute ungläubig darauf, als hätte sie eben ein falsches Geständnis gehört. Berger und seine Techniker saßen hinter ihren Computern und blickten zu ihr her.
»War das okay?«, fragte sie, und die Kollegen von der Technik hoben die Daumen.
»Alles auf Band«, sagte Berger, »falls wir’s zur Stimmenanalyse noch brauchen.«
»Danke und schönen Sonntag auch noch.«
Beetz ließ die verblüfften Techniker hinter ihren Apparaten sitzen. Sie hatte Anita Demand gefunden. Sie verließ schnellen Schrittes Bergers Labor. Sofort musste sie nach Machern zurück ins Neurophysiologische Rehabilitationszentrum. Anita Demand war auf dem Wege dorthin. Vielleicht fand der Fall jetzt seine Lösung. Sie sang, als sie fuhr: Bummi, Bummi, Bummi, Bummi, brumbrumbrum … Sie würde Kohlund die Exklusivrechte an dieser Story für Joseph Hönig abtrotzen. Er würde daraus die Schlagzeilen machen. Und sie war die Heldin der Geschichte.
11
Die Uhr drehte sich sinnlos im Kreis. Konstantin Miersch saß allein an der Theke und beobachtete die Fliegen, die den Zapfhahn umschwirrten. Sein Bier war bis zur Neige geleert. Die Wirtin hatte den Tresen verlassen. Sie brachte ihre Mutsch zu Bett. Rosel hatte etwas dagegen. Vom Flur her hörte er sie schreien. Anweisungen wurden gebrüllt. Die Alte weigerte sich mit Vehemenz, sie wollte nicht schlafen. Eine Uhr schlug viermal.
Miersch trank aus und hatte Hemmungen, am Altentransport vorbei in sein Zimmer zu schleichen. Er langte über den Tresen und griff nach dem Glas für die Tropfen. Es war halbgefüllt. Das Bier schmeckte schal. Miersch fand noch immer keine gute Begründung, warum er im Gasthaus Zu den alten Eichen nächtigte. Weder Zimmer noch Service waren einladend, und die Frage blieb, wie die Wirtin Anne mit dieser Pension überhaupt etwas verdiente. Aber vielleicht stürmten wochenends Touristen und Ausflügler diesen Gasthof. Familien feierten hier vielleicht ihre Feste, Einschulung, Konfirmation, Hochzeit. Klinikbesucher nahmen hier vielleicht Quartier. Das Haus lag am Weg, darum hatte es Miersch auch gefunden.
Er griff nach dem Glas und schritt die Wand vor den Regalen ab. Es sah aus, als hätten Generationen ihren Ramsch aus Hunderten Jahren auf den Brettern gelagert. Er fand alte Skatkarten, Minibücher mit Rezepten, Figürchen, die offensichtlich von Reisen mitgebracht worden waren. Bruxelles. Eibenstock. Die Saalfelder Grottenfee. Staub war von den Nippes gewischt worden. Miersch machte sich die Finger nicht schmutzig. Er entdeckte ein Messer im goldgeprägten Etui und packte es aus. Das Gewicht war angenehm schwer, die Klinge scharf, spitz und silbern graviert: Schützenkönig 1963.
Der Hajo hat dem Mädchen nicht die Augen ausgestochen. Miersch sah auf das Messer. Hauen Sie ab, Mann! Rennen Sie nicht in Ihr Unglück! Rosel hatte ihn gewarnt, und sie hatte recht, es war kein gastliches Haus. Er hätte vorbeifahren sollen. Aber Klinik, Regen und Margo … Miersch legte das Messer zurück und stellte sein Glas auf die Theke. Weder Matze noch die Wirtin Anne waren zu hören. Auch die Alte war verstummt. Nur der Kühlschrank kühlte und schien den Raum kälter zu machen. Obwohl das Zimmer dunkel gehalten und anheimelnd warm beleuchtet war, fröstelte Miersch. Er legte einen Schein auf den Tresen und hoffte, der Betrag würde auch für Trinkgeld reichen.
Das Hotelzimmer war spartanisch eingerichtet. Ein blumenbemalter Bauernschrank mit zwei Bügeln. Ein Stuhl an einem Tisch, dessen Platte kaum DIN-A4-Größe besaß. Das Deckchen darauf war gehäkelt. Miersch hing sein Jackett über die Lehne. Die Schuhe schob er ordentlich unter das Bett, die Socken zum Lüften darüber gelegt. Er glaubte, leichten Schweißgeruch in der Nase zu haben und öffnete das Fenster. Zwei Pkw schienen sich ein Rennen auf der Straße zu liefern. Das waren keine Geräusche zum Schlafen. Er würde auch hier nicht zur Ruhe kommen. Er holte Socken samt Schuhen wieder hervor und stellte sie aufs Fensterbrett. Trotz des geöffneten Fensters wehte kein Lufthauch, und er fühlte sich wie in einer Gruft. Glauben Sie mir, hier wird nur gestorben. Haus
Weitere Kostenlose Bücher