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Augen für den Fuchs

Titel: Augen für den Fuchs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henner Kotte
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der toten Augen nennen sie es … Die Federn unter der Matratze schrien wie Frauen, als er sich auf sie legte.
    Rosel konnte nicht wissen, dass er Chef der Kriminalpolizei war. Die Mörder sind unter uns! Ob sie jedem Gast solche Geschichten erzählte? Sie sind noch immer im Haus! Wahrscheinlich dachte die Alte, dieser Horror wäre tatsächlich passiert. Hajo ist kein Mörder! Darüber wollte Miersch nicht nachdenken und zog sich die warme Daunendecke bis zum Hals. Die Bettfedern quietschten bei der kleinsten Bewegung. Ein Laster donnerte vorbei, und ein Besoffener grölte Es gibt kein Bier auf Hawaii. Vielleicht war das Matze.
    Das gesamte Gasthaus schien stetig zu sprechen. Es knackte. Es pfiff. Die Autos fuhren hindurch. Miersch dachte an Fledermäuse, den Hühnerstall der Oma und Nachtschwärmer. Der Besoffene vorm Fenster hatte seinen Gesang eingestellt. Miersch hörte, wie Anne sich von Matze im Erdgeschoss verabschiedete, doch offenbar wollte der noch nicht gehen.
    »Ich bezahle!«, schrie er. »Ich bezahle!«
    Vielleicht ließ Matze anschreiben oder bedauerte, dass ihm kein Bett im Haus geboten wurde. Matze wurde wütend.
    »Und warum der Affe aus Bayern?«
    Was Anne entgegnete, verstand Miersch nicht. Eine Tür knallte. Auf der Straße schimpfte Matze noch weiter.
    »Da kann man tun, was man will …«
    Langsam verhallte seine Wut.
    Miersch hätte noch lesen können. Die Geschichte der Deutschen Volkpolizei … Das Buch lag daheim auf dem Nachttisch. Wahrscheinlich zeigte es Margo ihren Gästen, und die lachten sich tot über ihn. Sein Zusammenleben mit Margo hatte keine Perspektive mehr. Nur widersetzte sie sich bislang jedem Gespräch über eine Scheidung. Weil Kirche und Glauben ihr eine Scheidung verboten. Weil sie sich eingerichtet hatten. Weil die Töchter geschockt wären. Miersch hatte alle notwendigen Papiere im Safe seines Büros gelagert. Und jedes Mal, wenn er sich vornahm, mit dem Rechtsanwalt darüber zu sprechen, war es ihm peinlich, sein Intimleben vor fremden Menschen ausbreiten zu müssen. Miersch kannte die Fragen. Wann haben Sie zuletzt miteinander geschlafen? Er wusste es selbst nicht zu sagen. Verlangte der Partner Handlungen, die Sie nicht erregten? Nein. Wenn er recht überlegte, hatten Margo und er stets Freude und Spaß gehabt, bis sich Leidenschaft zwischen ihnen nicht mehr einstellen wollte und Sex zum dazugehörigen Übel verkam. Haben Sie einen anderen Partner? Nein. Wann sollte Miersch anderen Frauen begegnen? Die Arbeit fraß seine sämtliche Zeit. Und dann fuhr er heim in die zu große Wohnung und zu Margo.
    Kultur und Kneipen nahm er nur bei gesellschaftlichen Anlässen wahr. Die Stadt Leipzig war ihm Ausland und fremd geblieben. Dann besser mit Margo und nicht allein in einer Wohnung, hatte er mit ihr doch immerhin jemanden, mit dem er sprechen konnte. Jetzt lag er einsam in einem fremden Bett und konnte nicht sagen, warum.
    Ein Schrei durchbrach die Stille. Eine Frau wand sich in Angst. Die Stimme schien sich immer höher zu schrauben, gleich vor seiner Tür. Miersch sprang aus den Federn und horchte im Flur. Plötzlich war es ganz still. Kein Laut, kein Geräusch. Eine Lampe spendete trübes Licht und warf lange Schatten. Er fühlte sich beobachtet. Haus der toten Augen nennen sie es. Miersch musste lächeln. Es war, als spielte er in einem Film mit. Gleich würde der blinde Jack die funzlige Glühbirne zerdrücken. Elisabeth Flickenschild winkte mit der Galgenhand. Und Joachim Fuchsbergers Part würde er übernehmen. Nachts im Nebel an der Themse …
    Der Schrei hallte markerschütternd. Diesmal von draußen. Aber er konnte sich täuschen. Dann war es still. Totenstill. Es bellte ein Hund.

12
    »Sie kommen hier nicht rein!«
    Erst nach mehrmaligem Läuten war der Vertreter des Sicherheitsdiensts hinter seinem Pult hervor in die Nähe der Tür getreten und sprach mit ihr durch eine Luke. Anzug. Glatze. In seinem Ohr leuchtete ein grüner Stein. Sie setzte ihr bezauberndstes Lächeln auf und hoffte, dass er sie einlassen würde. Aber der grüne Ohrring verzog keine Miene. Er war sich offensichtlich seiner Verantwortung bewusst, er hatte das Krankenhaus vor jedem unbefugten Zutritt zu schützen. Sein Atem beschlug die Scheibe. Die gläserne Schwingtür war seit Stunden verriegelt. Die Besuchszeit war lange vorbei. Hier kam keiner mehr rein, dafür würde er kraft seines Amtes sorgen. Und für das Drehkreuz am Personaleingang hatte Beetz keinen Betriebsausweis. Schwer

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