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Augen für den Fuchs

Titel: Augen für den Fuchs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henner Kotte
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bin ich nicht verantwortlich. Und sagen Sie jenen, die es interessiert, dass sich an meiner Haltung zu den Vorfällen in Serbien, Philip Thede betreffend, nichts geändert hat. Überhaupt nichts. Da mag die Frau Thede noch so kräftig zuschlagen. Da kann sich die Presse noch so echauffieren. Wir haben nach Recht und Gesetz gehandelt, daran gibt es keinen Zweifel. Ich bin unschuldig. Und ich lasse mich nicht Wölfen zum Fraß vorwerfen. Frau Dressel, ich melde mich.«
    »Aber, Herr Direktor, bei allem Verständnis …«
    Wofür Andrea Dressel Verständnis hatte, hörte Konstantin Miersch nicht mehr. Er stellte das Handy aus.
    Der Kriminaldirektor war auf dem Heimweg. Als sie ihm am Frühstückstisch im Hotel die Zeitung vor den Latz knallten, wusste er, dass er zum Abschuss freigegeben war. Zwar stand nicht der Name Joseph Hönig unter den Zeilen, aber es war genau sein Stil. Die Journaille würde sich festbeißen. In allen Zeitungen würde er stehen, das Fernsehen zum Interview bitten, das Radio. Es war eine Intrige. Natürlich hatten diese Reinigungskraft, das Wachpersonal oder irgendwelche Angestellten ihn im Neurophysiologischen Rehabilitationszentrum erkannt und verpfiffen. Gegen Honorar, da war sich Miersch sicher, hatten sie seine Anwesenheit auf der Station von Philip Thede der Presse gemeldet. Und die hatte Simona Thede bestellt. Oder man hatte die Mutter zuerst informiert und dann die Journalisten gerufen. Das Resultat war dasselbe. Vor den Objektiven eines Fotoreporters hatte ihm die wütende Mutter publikumswirksam die Fresse poliert. Big Deal, beglückwünschte Miersch den Reporter, der würde überregional Schlagzeilen machen und viel Geld dabei verdienen. Garantiert sendeten alle Stationen von Brisant bis Leipzig Fernsehen das Bild und seine Geschichte. Die Geiselgangster und er produzierten zum zweiten Mal deutschlandweit Schlagzeilen. Bei Amtsträgern und Genossen war er unten durch. Dieses Schauspiel würde er nicht überleben. Aber er musste nicht noch die tragende Rolle selbst spielen. Konstantin Miersch verschwand von der Bildfläche und würde sich in aller Ruhe eine Strategie überlegen. Kampflos aufgeben war nicht sein Stil.
    Nein, Miersch würde sich nicht diesen Geiern zum Fraß vorwerfen. Hoffentlich stand die Presse nicht schon vor seinem Haus. An jedem anderen Morgen wäre er diese Strecke zum Polizeipräsidium in der Gegenrichtung gefahren. Jetzt fuhr er nach Hause und hatte den Eindruck, dass wesentlich weniger Verkehr herrschte. Aber das mochte daran liegen, dass ihn der alltägliche Stress momentan nicht erreichte. Er hatte andere Sorgen.
    Miersch fuhr langsam eine Runde ums Haus, ehe er beschloss auszusteigen. Er wollte weder Hönig noch der Biederstedt, Bild, noch Fernsehkameras und Mikrofonen begegnen. Vor seinem Haus stand keiner, der wie ein Reporter aussah. Miersch war fast traurig, dass er nie so wichtig gewesen war, dass seine Privatadresse in den Notizbüchern der Journalisten stand. Von jedem Fuzzi, prominent oder nicht, hatten die die Adresse, nur von ihm nicht.
    »Bin wieder da! Hallo? Jemand zu Hause?«, rief Miersch, als er die Wohnung betrat.
    Aber Margo war nicht daheim. Wahrscheinlich traf sie sich mit einer Freundin, um das nächste Golfturnier zu bereden oder die neuesten Lagerfeld-Modelle oder … was wusste denn er? In der Kanne der Kaffeemaschine stand noch eine Pfütze. Sie schmeckte bitter, und er spülte mit Mundwasser nach. Macht frischen Atem, da klappt’s auch mit dem Nachbarn! Auf dem Spiegelschränkchen bemerkte er einen neuen Rasierer. Miersch verbot sich das Nachdenken über dessen Nutzung. Einmal hatte er Margos Haarepilierer mit dem Apparat einer ihrer Bekanntschaften verwechselt. Das schrille Lachen seiner Gattin hatte er heute noch im Ohr. Heilige Einfalt!
    Miersch musste auf andere Gedanken kommen, abschalten. Er griff zur Lektüre über das Leben in der DDR und fläzte sich auf sein Bett, knautschte das Kissen.
    Eine gute Zusammenarbeit mit gesellschaftlichen Kräften und das enge, koordinierte Zusammenwirken aller operativen Kräfte der Volkspolizei hatten auch für eine erfolgreiche Arbeit der Kriminalisten eine grundlegende Bedeutung. Heute nicht anders, dachte der Kriminaldirektor. Typisch für ihre politisch-ideologische Arbeit in der ersten Hälfte der achtziger Jahre war das Bemühen um eine weitere Ausprägung ihres Berufsethos. Losungen wie ›Das Erreichte ist nicht das Erreichbare‹ und ›Erfolg haben ist Pflicht‹ standen für ihr

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