Augen für den Fuchs
vorgeschlagen. Kein Scherz, Polizeipräsident Dr. Hackenberger meinte es ernst. Es gibt keinen Zweifel, dass Sie alle Voraussetzungen mitbringen, die der Job erfordert. Kohlund war sich da nicht so sicher. Er hätte sofort absagen sollen. Er hatte seine Entscheidung längst getroffen.
Kohlund wollte Dr. Hackenberger nicht vor den Kopf stoßen. Deshalb hatte er um einen Aufschub gebeten. Und wahrscheinlich hatte der Präsident genau das von ihm erwartet. Allerdings musste Dr. Hackenberger auch vermuten, dass Kohlund diese Beförderung ehrte und stolz machte. Er und Kriminaldirektor! Doch BeHa täuschte sich. Gewaltig täuschte er sich. Noch vor Dienstbeginn morgen würde Kohlund dem Polizeipräsidenten seine Absage mitteilen. Er würde die üblichen Floskeln verwenden von Ehre und dem Dank für das in ihn gesetzte Vertrauen, aber aus familiären und anderen Gründen … so schwer ihm auch diese Entscheidung fiele … traurigen Herzens, aber er sage Nein. Nein. Nein. Eine Entscheidung der Vernunft und seiner Ehefrau. Kohlund mochte sich Hackenbergers Enttäuschung nicht vorstellen. Aber der Chef der Mord zwo war mit seinem jetzigen Tätigkeitsbereich zufrieden. Er trug die Verantwortung, die er zu tragen gewillt war. Die Arbeit war abwechslungsreich, die Kollegen erträglich. Es gab keinen Grund, die Karriereleiter höher zu steigen.
»Hast du auf mich gewartet?«
Eine Hand legte sich auf Kohlunds Schulter. Ein Gesicht näherte sich zum Kuss. Alexia. Sie hatte das Reisebüro längst geschlossen. Auch ihr Arbeitstag war zu Ende. Und sie trafen sich oft hier im Puschkin.
»Nur auf dich!« Kohlund nickte ohne ein Lächeln. Er fand keine andere Ausrede. »Ich dachte … mal ein Abend nur wir zwei.« Sie würde ihn gleich der Lüge überführen.
Aber Alexia hatte andere Gedanken. »Musst du etwas beichten?«
Erstaunlich, wie nahe Alexias Intuition der Wahrheit kam. Kohlund legte die Zeche auf den Tisch und gab reichlich Trinkgeld. Die Kellnerin stand mit dem bestellten Bier in der Hand und wusste nicht, wem sie es nun servieren sollte. Kohlund griff nach der Hand seiner Gattin. Sie gingen die belebte Karl-Liebknecht-Straße entlang.
»Gehen wir französisch essen?«
»Das willst du nicht wirklich.«
Alexia stellte sich vor ihn. Er erschauerte und fühlte sich bis auf den Grund seines Wesens durchschaut. Ihre Augen waren wie Röntgenstrahlen. Sie zogen ihn aus. Er stand im Hemd und kam sich vor wie als Kind, wenn er seiner Mutter von einem Tadel im Hausaufgabenheft berichten musste. Wie zur Musterung zur Armee. Beugen Sie sich mal nach vorn! Er fühlte sich nackt unter Alexias Blick und versuchte, seine Blöße zu bedecken.
»Ja, also … der Miersch …«
»Hat er euch wieder mit einer seiner unsinnigen Anweisungen genervt?«
»Nein. Er ist verschwunden.«
»Wie verschwunden?« Sie hob die Brauen.
»Ist ja in letzter Zeit nicht ungewöhnlich, so eine Flucht. Denke an Althaus, Sarah Connor oder, oder … Na ja, nach dem Medienrummel nimmt er sich eine Auszeit, der Herr Direktor. Was auch immer.«
»Kann ich verstehen.«
Nicht, dass sie Miersch, dieses Ekel, wirklich verstehen konnte. Oder Kohlund verstand seine Frau nicht.
»Ich soll … also, Hackenberger meint …« Ihm fehlten die Worte. Alexia konnte sie sich denken.
Sie griff nach seiner Hand, als sie weitergingen. »Lass dich nicht vor jeden Karren spannen, Lars. Nimm ihr Angebot nicht an. Die haben Miersch in die Scheiße geritten, sollen sie ihn dort wieder rausholen. Willst du wie er als Monster in die Zeitung?«
»Quatsch, Monster, da tun sie ihm Unrecht … wirklich. Lexia, es wäre nur kommissarisch. Ein paar Wochen. Dann Schluss.«
Jetzt klang er, als hätte er Hackenberger seine Zusage bereits gegeben.
Alexia blieb stehen und fasste ihn an den Schultern. »Das willst du doch nicht wirklich. Lars, ich erkenn dich nicht wieder.
Mit diesen Leuten … Du selbst sagst doch immer … Ich glaube es nicht.«
Kohlund argumentierte aus reinem Widerspruch. Wenn Alexia ihm zugeredet hätte, den Job zu übernehmen, hätte er auch alle Gründe dagegen gefunden. Aber sie riet ihm ab. Er war gleicher Meinung, aber redete anders. »Lex, nicht nur nominell wär es ein Aufstieg. Kriminaldirektor Lars Kohlund …« Er lauschte dem Klang seiner eigenen Worte. »Ich könnte mich dran gewöhnen.« Er holte tief Luft und wagte drei, vier gewichtige Schritte um sie herum.
Alexia wandte den Blick. »Ich glaube es nicht …« Sie winkte ab und schüttelte den
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