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Augen für den Fuchs

Titel: Augen für den Fuchs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henner Kotte
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Kopf. »Tu, was du nicht lassen kannst. Bist ja ohnehin kaum zu Hause.«
    Sie standen inmitten des Passantenstromes. Ein Radfahrer klingelte ihnen seinen Unmut entgegen. Kohlund hätte ihn vom Rad holen sollen. Auf dem Bürgersteig war Radfahren verboten.
    »Sie zahlen vorerst einen Zuschlag.« Kohlund redete sich um Kopf und Kragen. Mit Hackenberger hatte er noch gar nicht über Details gesprochen, jetzt erzählte er seiner Frau vom materiellen Zugewinn, den ihm dieser Job einbringen würde. »Und eh sie uns wieder so einen Westarsch auf den Stuhl knallen …«
    »Wunderbar. Wenn du es nicht machst, macht es keiner.«
    Alexia redete wie weiland seine Mutter, als er ihr von seinem Berufswunsch erzählte. Kind, da kommst du nie wieder raus. Und schau, wie sie über die Polizisten lächeln. So nah an Staat und Partei macht keinen guten Eindruck. Lars Kohlund war trotzdem Polizist geworden. Weil er den Beruf mochte. Weil er die Arbeit interessant fand. Weil er mit Menschen arbeitete und in die Abgründe des Lebens schaute. Die waren im Sozialismus kaum andere als heute gewesen. Weniger Drogenkriminalität. Weniger Waffen, na gut. Aber die privaten Katastrophen ähneln sich seit Jahrtausenden. Schon die griechischen Dichter hatten darüber geschrieben: Medea, Ödipus, Antigone.
    Kohlund lief Alexia voraus. Plötzlich wollte er nicht mehr mit ihr über den Posten des Leipziger Kriminaldirektors reden. Zumal er ganz so dachte wie sie. Aber sie hatte ihn förmlich gezwungen, für die Annahme des Postens zu argumentieren. Er konnte nur in Widerspruch gehen, wenn sie auf ihrem Standpunkt beharrte. Es war seine Entscheidung. Er hatte sie für die Familie getroffen. Jetzt hatte er seine Gattin vom Gegenteil überzeugt.
    Als er sich umschaute, folgte ihm Alexia mit langsamen Schritten. Die Idee eines delikaten Abendessens stand noch immer zwischen ihnen. Der Italiener lag gerade am Wege. Kohlund fasste Alexia an der Hand und zog sie in den Gastraum.
    Kohlund musste sie ziehen. »Und die Wäsche? Übermorgen fährt Gisbert ins Trainingslager!«
    »Ich musste in seinem Alter selbst putzen und bügeln.«
    »Da warst du bei der Armee!«
    »Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich’s getan hab.«
    Sie nahmen an einem Fenstertisch Platz. Die Tagesangebote standen mit Kreide handgeschrieben an der Wand. Lasagne. Salat. Gebratene Scampi. Kohlund entschied sich für Frutti di Mare und den teuersten Rotwein. Alexia schüttelte den Kopf und nahm Salat ohne Käse und Fleisch, wegen ihrer Diät.
    »Warum fragst du mich, wenn du dich eh schon entschieden hast?«, sagte sie nach einem langen Schweigen. »Meine Argumente sind für dich keine. Das ist Vorspielung von Demokratie!«
    Kohlund kannte die Sätze. Wir hatten uns im Standesamt geschworen … haben wir bislang nicht alles gemeinsam entschieden? … die Kinder … kannst du gleich allein … Alexia hielt ihm einen Vortrag. Der Kellner servierte den Wein und schenkte zur Probe einen Schluck ins große Glas. Kohlund befand den Rotwein für gut und hielt Alexia das gefüllte Glas entgegen. Sie übersah es. Weißt du, was für eine Verantwortung? … du hast dich stets … dann stehst du in der Öffentlichkeit … noch mehr Bereitschaft, noch weniger Familie …
    Alexia sah wahnsinnig schön aus. Ihre Wangen waren gerötet, ihre Hände stets in Bewegung. Kohlund schob den Wein aus ihrer Reichweite, damit sie ihn nicht umstieß. Alexia strich sich mit einer eleganten Bewegung die Haare aus der Stirn. Er fasste ihre Hand, streichelte sie und konnte sich eines Lächelns nicht erwehren. Sie bemerkte es und geriet noch mehr in Rage. Wie Statisten stehen wir um dich herum … für die Kinder interessierst du dich nicht … immer der Job, dein Job … was zu Hause passiert … Gisbert wird genauso wie du … Charlotte steht vor den Prüfungen … und du? Kriminaldirektor, das ich nicht lache!
    Alexia lachte nicht. Kohlund ließ ihre Hand nicht aus der seinen, zog sie an sich. Sie wehrte sich nicht. Er gab ihr einen Kuss, sie erwiderte ihn. Der Kellner servierte.
    »Das hätten wir längst machen sollen.«
    »Was?«
    »Ausgehen. Essen. Einen Abend für uns.«
    »Das lässt dein Job doch nicht zu. Immer wenn ich diesen Vorschlag mache, brauchst du Ruhe oder bist froh, an nichts denken zu müssen. Ach …«
    Alexia winkte ab. Ein Salatblatt hing ihr aus dem Mund. Kohlund dachte an die Karnickel im Stall seiner Oma. Fünf hatte die gehabt. Zu Weihnachten waren zwei davon geschlachtet worden.

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