Augen für den Fuchs
weiterhin Stiche im Unterarm links, Höhe Handgelenk, Hals, Schulter. Nach Zählung muss es sich mindestens um 9 Stiche gehandelt haben.
3. Die Verletzungen der Hände sind als Abwehrreaktionen zu interpretieren. Offensichtlich hat das Opfer versucht, sich den Angriffen zu entziehen.
4. Es fanden sich kleine, stichkanalartige Verletzungen in den Augenlidern und in der Mitte des linken Vorauges von etwa 3-4 mm Durchmesser. Diese Verletzungen sind als Stichverletzungen anzusehen und im besonderen wegen ihrer speziellen Beschaffenheit (blutdurchtränkte Gewebsränder) als noch im Leben beigebracht anzusehen.
5. Inwieweit Geschlechtsverkehr stattgefunden hat, läßt sich erst nach Untersuchung des entnommenen Scheiden- und Gebärmutterinhalts aussagen.
Jaenicke
Miersch hatte keinen Zweifel, dass der Mann, der diese Morde begangen hatte, ein Serientäter war. Er hatte noch immer die Sätze Rosels im Ohr. Er sah in die traurigen Augen von Anne. War Hajo Popp wirklich der Täter? Er würde seine Fragen morgen früh stellen, doch er war sich nicht sicher, ob die Frauen sie auch beantworten würden.
Der der Taten stark verdächtige Hans-Joachim Popp wurde am 23. August 1984 tot in der Scheune seines Grundstückes gefunden. Offensichtlich ist er von seinem Sohn überführt worden. Es kam zum Kampf, in dessen Verlauf der Vater von der Tenne auf den Heuwender fiel und tödlich verletzt wurde. Der Sohn erhängte sich danach an einem der Dachbalken. Mit dem Tod des Verdächtigen Hajo Popp riss die Mordserie ab, so dass davon ausgegangen werden kann, dass es sich um den Täter handelte. Auch von der Staatsanwaltschaft wird der Fall als abgeschlossen betrachtet.
Gez. Queißer
Miersch schloss die Augen. Vom Gastraum drangen leise Geräusche zu ihm ins Zimmer. Ein Auto fuhr in den Hof und rammte wohl einen der Müllkübel. Die Bäume im Park rauschten wie der Ahorn im Hof. Miersch versuchte zu schlafen. Ein Hund bellte.
20
Sie wissen, dass seine Aufgaben übernommen werden müssen … Kohlund trank. … Sie würden uns und auch sich selbst nützen …
Er hatte das Gedicht in der Schulzeit aufsagen müssen: Die Teppichweber von Kujan-Bulak von Brecht, Bertolt … So nützten sie sich, indem sie Lenin ehrten, und sie ehrten ihn, indem sie sich nützten, und hatten ihn also verstanden.
Auf diese Ehrung konnte er verzichten, auf den Nutzen auch. Kohlund hörte noch immer Dr. Bernd Hackenberger: Mensch, solche Leute wie Sie brauchen wir. Unsere Leitungsebene weist ohnehin schon zu viele Fremdkader auf. Das ist Ihre Chance! Kohlund konnte auf diese Chance verzichten. Er bestellte ein neues Bier. Die aufmerksame Kellnerin hatte es schon in der Hand. Wahrscheinlich machte er den Eindruck, dass er es brauchte.
Kohlund hatte keine Gedanken. Unablässig wiederholte der Polizeipräsident seine Überzeugungsrede. Eine Schallplatte mit Sprung. Er schmeckte noch immer Hackenbergers Kognak auf seiner Zunge, selbst Bier konnte ihn nicht wegspülen, so sehr er es auch damit versuchte. Kohlund saß und Kohlund trank. Feierabendbier. Freisitz.
Nach Büroschluss zog die Stadt an ihm vorbei. Studenten auf Fahrrädern, Herren mit Krawatte und Aktentasche, Mütter mit greinenden Kindern am Arm. Das Café mit dem Roten Stern war seit je sein liebstes gewesen. Puschkin war ein Autor, den Kohlund mochte, auch wenn er kaum las. Alexia hatte ihn dafür begeistert. Allein schon Puschkins Tod im Duell. Das beeindruckte ihn. Lang noch in Grausamkeit verharren / Wird diese Welt mit Seelenruh, / Die eigne Schuld nie offenbaren, / Durch Heuchelei deckt sie sie zu.
Auch dieses Glas war schnell geleert. Kohlund überlegte, ob er noch eines bestellte, und entschied sich dafür. Wie er auf Hackenbergers Vorschlag reagieren sollte, wusste er nicht. Er und Kriminaldirektor! Kohlund hatte nie auf Leitungsfunktionen und Posten geschielt. FDJ-Sekretär war er gewesen, weil die Dozenten ihn dazu ausersehen hatten. Hätte er abgelehnt, hätten sie ihm das Studium erschwert. Sagte man zu, hatte man die Arbeit am Hacken. Doch die Übernahme solcher Posten galt als gesellschaftlich aktive und löbliche Arbeit, was für Bewerbungen immer ein sozialistisches Plus gewesen war. Kohlund war nach seinem Studium nicht in die mecklenburgische Provinz nach Malchin oder Hagenow versetzt worden. Wozu sicherlich der FDJ-Sekretärsposten beigetragen hatte. Kohlund hatte in Leipzig seinen Dienst antreten können und war Leiter der zweiten Mordkommission geworden. Ich habe Sie
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