Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Augen für den Fuchs

Titel: Augen für den Fuchs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henner Kotte
Vom Netzwerk:
ermitteln in einem Mordfall. Wann haben Sie Ihre Tochter zum letzten Mal gesehen?« Kohlund stellte sich breitbeinig hin und verschränkte seine Arme vor der Brust. Auch im Tonfall verschärfte er die Befragung, ließ sich nicht auf ein zwangloses Gespräch ein. Er setzte die Frau unter Druck. Beetz begriff nicht warum.
    »Um Gottes willen!« Die Alte griff sich mit beiden Händen an den Kragen, als wollte sie sich selbst erwürgen. »Mord?«
    »Mord!« Es klang wie ein Befehl.
    Die Alte japste nach Luft. »Manuele?« Ihre Stimme klang gepresst.
    »Nein.« Das konnte die Alte nun nicht mehr beruhigen. Kohlund ließ der Zeugin keine Zeit zum Nachdenken. »Wann haben Sie Manuele zum letzten Mal gesehen?«
    »Gesehen? Ja, wann denn?« Schwer atmend überlegte sie. »Auf die Minute kann ich es nicht sagen. Halb acht. Dreiviertel vier? Manuele wollte in den Güldenen Krug, zu so einer Initiative, die mehr Grün hier im Viertel schaffen soll.« Dann schien ihr ein ganz anderer Gedanken zu kommen. »Wer hat sie denn vermisst gemeldet? Sie hat doch Urlaub. Eigentlich ist sie gar nicht da.«
    »Ihre Tochter ist nicht zum Dienst erschienen. Sie hätte heute Nachtschicht gehabt.« Kohlund stellte die Frage in einem schneidenden Ton, als ob er die Alte beschuldigen wollte. Er hatte sein falsches Verhalten noch immer nicht bemerkt, und Beetz wusste nicht, wie sie dagegen einschreiten könnte.
    »Nachtschicht? Was für eine Nachtschicht?«
    Beetz sah der Alten an, dass sie nichts mehr verstand. Minka begann wieder ihr Bellen. Kohlund wippte auf seinen Zehen.
    »Nachtschicht«, wiederholte die Alte, als ob sie jetzt erst begriffe. »Aber nicht doch … Manuele arbeitet im Amt. Das schließt spätestens achtzehn Uhr. Warum Nachtschicht?«
    Sie schwiegen. Die Polizisten waren ratlos, die Alte begriff nichts und hatte Angst. Beetz überwand das Bedürfnis, der alten Frau über die Hand zu streicheln und ihrem Chef eine zu kleben. Dessen Biestigkeit war bei einer Befragung völlig unangebracht. Sie könnte das Dienstvergehen melden, nur wäre die Alte kaum eine gute Zeugin bei diesem Verfahren. Sie konnte nichts dafür, dass Verbrecher sich nicht an feste Arbeitszeiten hielten.
    »Vielleicht klärt sich alles auf andere Weise, und Ihre Tochter ist wirklich bei der Diskussion für ein grüneres Leipzig.«
    Der Blick Kohlunds war eine Ohrfeige. Beetz hatte keine Ahnung, warum der Chef so schlecht gelaunt war. Auch sie stand am späten Abend vor fremden Türen und stellte Fragen. Auch sie hatte sich auf den Feierabend und auf Joseph gefreut. Auch sie fluchte manchmal über ihre Dienstzeiten, die nie so regelmäßig waren wie die einer Beamtin.
    »Wo ist denn der Güldene Krug ?«, fragte Kohlund freundlicher, als würde er seinen Gesprächston von eben bereuen.
    »Vielleicht war es auch der Goldene Schwan.«
    Die alte Frau konnte offensichtlich keinen klaren Gedanken mehr fassen. Hätte sie den Chef nur nie über die vermisste Nachtschwester informiert. Beetz hätte der Alten mit Ruhe und Bedacht ihre Fragen gestellt. So, wie es aussah, brauchte die Frau jetzt psychologische Betreuung. Hoffentlich stellte die Tochter keine Anzeige wegen psychischer Misshandlung.
    »Welcher Bürgerverein tagt denn überhaupt?«
    »Na, die … wenn die …« Die Alte blickte angstvoll um sich. Minkas Bellen pfiff wie ein Wasserkessel.
    »Ihre Tochter engagiert sich für städtisches Grün, habe ich Sie richtig verstanden?«
    »Was denn für Grün? Die ist von Amts wegen da. Muss sie ja. Sie hat gar nicht gewollt.« Und dann schien ihr wieder etwas einzufallen. »Nee, die Manuele ist doch mit dem Roland aufm Darß. Dierhagen … Hatt ich doch gesagt, sie hat Urlaub. Sehen Sie …«
    Die Alte verschwand. Sie hörten nur noch das Bellen von Minka, dann kam die Alte mit einer Postkarte in der Hand wieder zurück. Wie einen Preis hielt sie sie ihnen entgegen.
    »Hier. Hier.« Sie tippte mit dem Finger darauf. »Vor zwei Tagen habe ich die erhalten. Dierhagen. Fischland.«
    »Manuele ist nicht verschwunden«, sagte sie und warf dabei Kohlund einen Blick zu, der eindeutig sagte, dass sie ihm kein Wort glaubte.
    »Sie haben recht. Ihre Tochter ist nicht verschwunden.« Beetz bedankte sich für das Entgegenkommen und wünschte noch eine angenehme Nacht.
    Die Alte schloss die Tür. Nur noch das Fiepen Minkas war zu vernehmen. Dann verstummte auch der Hund oder die Katze oder was es auch war.
    Beetz begriff Kohlunds Verhalten nicht. Der Chef hatte bereits seine Tasche

Weitere Kostenlose Bücher