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Augen für den Fuchs

Titel: Augen für den Fuchs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henner Kotte
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aus dem Dienstwagen geholt und reichte Beetz durch die Beifahrertür die Hand. »Machen Sie Feierabend, werte Kollegin. Wir haben ihn uns verdient.«
    Es schien Beetz, als würde er lachen. Damit verschwand er zwischen den Hecken der Einfamiliensiedlung. Das Neubaugebiet, in dem Kohlund wohnte, lag nur über die Straße. Er war gleich zu Hause. Vielleicht war auch das der Grund für den schnellen Dienstschluss, auch wenn sie vermutete, dass die Ursachen tiefer lagen. Der Chef war den ganzen Einsatz lang nicht bei der Sache gewesen und hatte den Ermittlungen nur im Weg gestanden. Beetz zuckte die Schultern. Jetzt konnte seine Frau sich mit ihm plagen. Wenn die nicht schon lange schlief. Es war inzwischen Mitternacht.
    Beetz fuhr zum Präsidium, um den Dienstwagen wieder in die Bereitschaft zu geben. Als sie auf dem Weg zum Ausgang war, kam ihr die Idee, noch schnell bei den Kollegen der Meldestelle nachzufragen. Sie musste es jetzt tun, um kein schlechtes Gewissen zu haben. Sie sah noch immer Manueles Mutter vor sich. Sie würde sich bei der Alten entschuldigen, aber zu rechtfertigen war Kohlunds Verhalten nicht.
    Die Meldestelle war zu dieser Uhrzeit unbesetzt, aber der Diensthabende konnte die elektronischen Akten einsehen. Sie ließ ihn nach Manuele Schwitters suchen. Geboren 1968 in Leipzig. Wohnhaft Liebensteiner Weg. Das war bekannt. Und dann las Beetz es. 12. Mai 2007: Ausweis gestohlen. Genau wie bei Anita Demand. Es waren eindeutige Parallelen: zwei Krankenschwestern. Zwei Ausweise. Ein Arbeitgeber. Beetz war auf der richtigen Spur.
    Es konnte kein Zufall sein. Zwei Frauen waren von derselben Zeitarbeitsfirma vermittelt worden. Beide Frauen erschienen mit einem Mal ohne Ankündigung nicht mehr im Dienst. Die Frauen, die sie unter den angegebenen Adressen antrafen, waren nicht die, die sie suchten. Anita Demand war für die Sparkasse Leipzig tätig. Und Beetz zweifelte keinen Moment daran, dass Manuele Schwitters zurzeit wirklich in Dierhagen, Fischland, Urlaub machte. Aber gleichzeitig waren sie Krankenschwestern, die jetzt nicht mehr existierten.
    Anita Demand und Manuele Schwitters – zwei Frauen taten im Neurophysiologischen Rehabilitationszentrum Nachtdienst. Und es gab keinen Zweifel, dass sie ihre Arbeit dort versehen hatten. Ihre Kolleginnen hatten die gute Zusammenarbeit gelobt. Zwei Ausweise waren als gestohlen gemeldet. Zwei andere Personen tauchten unter genau diesem Namen auf. Beetz war sich sicher, dass hier bewusst gegen das Gesetz verstoßen wurde. Dr. Thomas Bornschein wusste, was er tat. Er hatte sie belogen. Er dominierte eindeutig seine Angestellten. Sie sah Agatha Schell schüchtern vor ihrem Computer hocken und nur auf Bornscheins Geheiß mit ihnen sprechen. Time is Money ist ein überregional operierendes Unternehmen … unsere Vermittlungsquote liegt bei über achtzig Prozent. Sie hatte noch die sonore Stimme des Geschäftsführers im Ohr. Diesen Typen würde sie überführen. Beetz traute ihrem Instinkt, und diesem Kerl traute sie einiges zu.
    Zurück in ihrem Dienstzimmer suchte Beetz nach der Karte von Dr. Bornschein. Sie loggte sich unter der angegebenen Internetadresse ins Netz. Ein Seite erschien, auf der stand: Diese Seite kann zurzeit nicht angezeigt werden. Wir bitten um Ihr Verständnis.
    Time is Money existierte nicht mehr. Das verstärkte nur ihren Verdacht. Beetz war sich sicher, dass das Unternehmen genau wie die Krankenschwestern nicht mehr auftauchen würde.

22
    Konstantin Miersch zögerte, den Raum zu betreten. Er hörte das Murmeln der Gäste. Er hörte Geschirr klappern. Auf dem Hof stoppte ein Auto, es knallte die Tür. Jemand schrie. Eine Frau lachte schrill. Im Flur herrschte Durchzug. Er drückte die Klinke.
    Die Tische waren fast alle besetzt. Auf den Tellern des Büfetts lagen Reste. Die Kellnerin stellte neue Platten auf die Theke und kippte frischen Saft in gläserne Kannen. Miersch hoffte auf ein Gespräch mit der Wirtin. Er wusste, dass sie ihn nicht mit Herzlichkeit empfangen würde. Er hatte noch immer ein schlechtes Gewissen, weil er sich den Zimmerschlüssel hatte geben lassen. Er setzte sich unter den Siegerwimpel der SG Gerichshain.
    Der Kampf ums Büfett entbrannte erneut. Frauen auf wackligen Füßen und jenseits der siebzig stürmten zu Käsescheiben und Wurst. Einige Männer warteten ab, was ihre Gattinnen mitbrachten. Andere stellten sich als Letzte an in der Reihe. Offensichtlich handelte es sich um eine Busgesellschaft auf Zwischenstopp.

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