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Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter

Titel: Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenther Bentele
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verbrannten die Klöster, Städte und Höfe entlang der Ströme, die in das Meer münden - selbst Paris, Köln, Koblenz, Mainz. Nordmänner nannten sie die einen, Wikinger die anderen.
    Sie wollten Sklaven, Gold, Silber, Juwelen, Pferde und Vieh. Ihr Weg war vom Feuer gezeichnet, ihre Hinterlassenschaft waren Tränen, Ruinen und Asche, ihre Früchte waren Grauen, Angst und Blut. Die Flüsse, denen sie folgten, wurden zu schwarzen Krallen.
    Ich selbst, der ich erst siebzehn war, als bei Augsburg geschehen ist, was ich erzähle, habe die Männer vom Nordmeer natürlich nicht mehr gesehen. Aber die Schrecken dieser ersten Plage waren nichts gegen die längst prophezeite zweite Plage, die uns nun das Blut gerinnen ließ.
    Die Männer aus den Ländern des Winters, der Kälte und des Todes hatte man nicht besiegen können: Schon der Versuch wäre lächerlich gewesen, sie waren ja von Gott gesandt. Aber man konnte sie kaufen: Man konnte sie mit ärmlichem Land am Meer zufrieden stellen, an dem Meer, das hinüberführt zur Insel der Angeln und der Sachsen. Kaiser Ludwig, der Sohn Karls, hat es ihnen schon vor langer Zeit gegeben, zitternd vor Hoffnung.
    Man konnte sie ebenso mit Geld zufrieden machen; und auch den Lüsten des Leibes waren sie verfallen: Ihre Anführer nahmen sich die schönen Töchter der adeligen Herren. Anfangs mit Gewalt. Dann erkauften sich die Herren mit der Hand ihrer Töchter die Schonung ihrer Länder. Viele von den Nordmännern fuhren der Sonne entgegen bis zur Insel Sizilien und gründeten dort ein Reich, und ihren hässlichen Anführer nannten sie König. Schließlich kamen sie zurück und begannen, in der Stadt Haithabu am Nordmeer mit den ehemaligen Feinden Handel zu treiben, denn ihre Aufgabe als unwissende Werkzeuge der ersten Plage Gottes war beendet.
    So schien alles wieder gut, und kaum einer dachte an das Ende, während der Herr, unser Gott alledem zusah und dann gelassen das zweite Buch der Plagen öffnete und den Untergang der Welt fortsetzte.
    Waren die Männer in ihren langen Schiffen aus den Ländern der Finsternis gekommen, wo selbst der Sommer lange Schatten wirft und wo der Tod in Eishöhlen haust, so kam die zweite Plage vom Aufgang der Sonne. Von dort ist einst das Heil zu uns gelangt!
    Das machte es noch furchtbarer.
    Reiterscharen waren es, auf kleinen, schnellen Pferden stürmten sie heran. Ich habe sie selbst gesehen; ihre Gesandten kamen an einem Wintertag in die Mauern unseres Klosters und forderten Gold. Es waren stämmige Reiter mit kurzen Bärten, breiten Gesichtern und kahlen Köpfen, die Haut gegerbt von Wind und Wetter. Waren es die Laute von Tieren, die sie von sich gaben? Teufel waren es! So sagten viele. Wir mussten uns mit Gold freikaufen.
    Mein Lehrer nannte sie die apokalyptischen Reiter - Reiter der Endzeit, die Tod und Verderben über die Welt brachten, auch sie unwissende Werkzeuge Gottes. Auserwählte, den Untergang der Welt zu verkünden und zu betreiben, der jetzt immer näher rückt, sagte er.
    Sie brachten den Tod ebenfalls mit Pfeilbögen.
    Hatten die Nordmänner aber mit langen Bögen geschossen, die für Schiffe taugen, waren die Bögen der Reiter sehr kurz, zweckmäßig für die Pferderücken, von denen sie im vollen Ritt abgeschossen wurden. Sie waren kurz, aber sie schossen doppelt so weit! Denn die Bögen waren nicht aus Holz, das man durch Biegen in Spannung versetzte, sondern schichtweise aus Streifen von Knochen und Holz verleimt und in fremdartiger Weise aufs Äußerste gespannt. Die Wucht der Pfeile war furchtbar und grausig war ihre Treffsicherheit, selbst in vollem Galopp aus dem Sattel.
    Die Pfeilspitzen waren rautenförmig, auf zwei Seiten scharf geschliffen. So auch die Schwerter der Reiter, krumme und heimtückische Säbel, an der Spitze ebenfalls beidseitig geschärft, gleichermaßen tauglich für Hieb und Stich. Schrecklich waren ihre Äxte mit dreieckiger Klinge und langem Dorn, mit denen sie auf Schilde und Panzer einhackten und sie zerfetzten.
    Sie selbst nannten sich Magyaren. Wir nannten sie Ungarn. Wie Heuschrecken fielen sie ins Land, wie Wasser in einen Schwamm eindringt, rückten sie vor, die Donau aufwärts bis an den Rhein, und wandten sich östlich weiter bis zum Harzgebirge, unaufhaltsam, tödlich. Sie raubten alles - Gold, Silber, Eisen, Kleidung, Waffen, Geräte. Kinder, Jungen wie Mädchen, nahmen sie fort. Die Männer und die Frauen töteten sie. Dann fraßen sie die Herzen der Männer, so wurde gesagt, roh und

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