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Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter

Titel: Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenther Bentele
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lagen in ihren Panzern und zerrissenen Wappenröcken, drecküberzogen, viele Tote, immer mehr Tote. Dann verlor ich meinen Herrn aus den Augen. Ich merkte kaum mehr meine Angst. Die Ohren waren voll vom Lärm der Menschen, der Pferde, der Hunde, die Augen verklebt von Staub und Schweiß. Ich wich herandonnernden Reitern aus und steckte einen verschossenen Pfeil zu mir und noch einen und noch einen. Ich sah durch eine Staubwolke hindurch, wie im Nebel, zwei Ritter gegeneinander anreiten; ich sah ihre Lanzen gleichzeitig auf den Schild des Gegners treffen und zersplittern, ich sah gleich im ersten Anprall beide Reiter vom Pferd stürzen. Dann wurde ich weggedrängt. Zwei Ritter gingen zu Fuß aufeinander los, mit dem gezogenen Schwert, ganz nah bei mir, die Gesichter versteckt hinter herabgeklappten Visieren. Sie umkreisten einander und versuchten den anderen mit Schwerthieben an Kopf, Armen, Schenkel, Brust oder Bauch zu treffen und fingen die Hiebe mit dem Schild ab. Andere Kämpfende schoben sich dazwischen - Staub, Staub! So laut war das Schreien, Klirren, Krachen, Bersten, Splittern, dass die einzelnen Kämpfe bald unhörbar waren wie im Traum. Ich bekam einen Schlag auf die Schulter und dann auf den Kopf, dass ich taumelte, hielt mich aber auf den Beinen. Ich starrte auf die aufgerissenen Augen und Münder ringsum und wusste nicht, wer Feind war noch Freund. Ich stolperte über zuckende und still liegende Gestalten und wich schreienden und am Boden um sich tretenden Pferden aus, denen die Eingeweide aus dem Leib quollen. Ich ergriff einen Schild, der sehr schwer war und hielt ihn vor mich und über meinen Kopf. Ich geriet in ein Knäuel von Menschen und wurde zu der Holzbrücke gedrängt. Ich erschrak tödlich, als sich unter mir eine staubverkrustete Gestalt aufrichtete, die ich für einen Toten gehalten hatte, und die Hand nach mir ausstreckte. Ich wich zurück und konnte mich endlich aus dem Gewirr um die Brücke heraus-arbeiten.
    An der Stirn hatte ich eine klaffende Wunde - ich spürte sie nicht - obwohl mir das Blut in die Augen lief.
    Aber wir gewannen die Schlacht, denn wir waren in der Über-zahl, und wir hatten Recht. Ein gewaltiges letztes Anreiten der großen Masse unserer Ritter mitten hinein in das Herz der Feinde - dann ihre Flucht. Aber sie waren umstellt, kaum einer kam davon. Karl von Anjou, wurde gebrüllt, sei gefallen. Man habe deutlich sehen können, wie er vom Pferd gestürzt sei, der Mann mit dem großartigen Gehabe und der flatternden Fahne der Anjous in der Hand -
    Ich war stolz. Es war meine erste Schlacht, und sie war prächtig und groß, wie die Schlachten, von denen die Sänger an den Höfen singen. Sie erfinden solche Schlachten und Geschichten, und sie bringen sie in Reime und Melodien, um die Zuhörer in ihren Bann zu ziehen. Aber meine Schlacht war nicht erfunden!
    Eine Schlacht muss ihre Ordnung haben, sagte mein Herr immer: Nicht wie Tiere, die mit schierer Kraft aufeinander losgehen, sollen Menschen gegeneinander kämpfen, sondern nach Herkommen, Regeln und Vereinbarung.
    Und mein König war nun wirklich König!
    Dann, erst nach dem Ende der Schlacht, fand ich meinen Herrn, dem ich im Getümmel nicht mehr hatte folgen können, unter den Toten. Ich weinte und barg die Waffenstücke, die ihm gehörten, und trug sie auf einen Haufen von Speeren, Schwertern und Rüstungen. Dann ging ich vom Schlachtfeld, weil ich an meinen Vater denken musste und nicht die Toten ausplündern wollte.
    Wir sehen uns drüben -
     
    Das Schrillen der Zikaden hatte plötzlich aufgehört.
    Wie aus dem Schlaf erwachend, ließ ich meinen Blick schweifen: Da! Da oben, weit hinter der Ebene - Reiter! Reiter, immer mehr Reiter! Sie jagten herab auf das Schlachtfeld von der Höhe bei Albe, auf der wir am Abend zuvor zum ersten Mal den Feind erblickt hatten - waren das Männer von uns? Was denn sonst? Da, jetzt waren sie verschwunden.
    Reiter? Hatte ich Fieber?
    Woher sollten diese Reiter kommen? Da waren sie wieder, heranjagend und wieder unsichtbar, von Bodenwellen verdeckt. Und jetzt sah ich sie endgültig, viel näher und mit eingelegten Lanzen und ohne Fahnen, aber - Herr, hilf! - mit den Helmbüschen des Anjou! Und jetzt auch mit seiner Fahne!
    Die Feinde waren doch geflohen -
    Nein! Ich sah es deutlich: Sie kamen hinter dem Hügel hervor-gebrochen. In breiter Front kamen sie heran, hunderte, in vollem Galopp, keine halbe Meile von unseren Männern entfernt, die verstreut auf dem Schlachtfeld

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