Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter
die Lippen schmal und seine Stimme klang rau: »Wenn nicht, so geh! Und kommst du zu Hab und Gut - ich will nichts davon. Geht’s schief, so trag’s allein!«
»Du kannst meinethalben gerne Wasser trinken, Vater«, sagte der Sohn, den Fuß im Steigbügel, »mir genügt das nicht - ich will Wein! Iss du ruhig deinen Brei. Ich will ganz Besonderes speisen - etwas, das heißt ›Huhn gekocht‹! Und bis an mein Lebensende esse ich nur noch Brot aus feinem Weizenmehl. Ich jedenfalls eifere meinem Paten nach, nicht dir - und der war ein Ritter, Gott Lob und Dank, dass ich nach dem gerate und nicht nach einem Bauern wie dir!«
Damit schwang er sich in den Sattel.
Der Vater stand vor dem Pferd und spuckte aus: »Glaub du das nur, aber Adel zeigt sich in Gesittung: Wenn zwei Fremde in ein fernes Land kommen, ein Adeliger und einer nicht von Adel, so hält man den für den Adeligen, der sich zu benehmen weiß!«
»Eben«, sagte der Sohn und packte die Zügel fester, »du siehst, meine Haube und meine schönen Haare lassen nicht zu, dass ich hier bleibe.«
Der Vater hob die Hände: »Weh dir, dass dich deine Mutter geboren hat!«
Ringsum lagen die Felder im Morgenlicht.
Der Vater zwang sich. »Sag mir noch eins: Wer ist besser, der den anderen Nutzen bringt oder einer, der schadet?«
»Wer Nutzen bringt natürlich«, antwortete Helmbrecht leichthin.
»Dann bitte, Helmbrecht«, sagte der Vater und biss sich auf die Lippen, »Pflügen, Eggen, Säen, Ernten, du -«
»Weißt du was? Du predigst zu viel! Du könntest ein ganzes Heer über das Meer bringen mit deinem Geschwätz. Ich kann es nicht mehr hören - nein, Schluss mit dem Pflug, ein für alle Mal! Stell dir vor, ich tanzte Hand in Hand mit einer schönen Frau und hätte schmutzige Finger - blamiert wäre ich da!« Er schnalzte mit der Zunge und trieb den Hengst an.
Der Vater lief nebenher, seine Stimme klang nun fremd: »Hör noch zu - das Wichtigste: Ich hatte einen Traum! Kannst du mir den deuten? Ich sah dich mit zwei brennenden Kerzen in der Hand!« Es brach aus ihm heraus: »Helmbrecht, mir träumte von einem Mann, der dieses Jahr noch blind sein würde.«
»Schon recht - deshalb gebe ich noch lange nicht auf, ich bin kein Feigling!«
Der Vater, atemlos: »Warte doch, um Gottes willen - mir träumte, du hattest nur noch ein Bein, das andere war bis zum Knie ein Stumpf auf einer Stelze. Und was bedeutet das?«
»Glück und Seligkeit bedeutet das. Was sonst!«
Der Bauer konnte kaum mehr mithalten: »Helmbrecht, du wolltest fliegen, über Sträucher und Baumkronen, aber ein Flügel war dir abgeschnitten. O wehe, deine Hände, deine Beine und deine Augen, Helmbrecht!«
»Glück bedeuten deine Träume für mich, Glück«, sagte Helmbrecht vom Pferd herunter. »Dummes Zeug! Such dir doch einen Knecht, der dir hilft - ich bleibe nicht bei dir!«
Der Vater fiel dem Hengst in die Zügel und keuchte: »Helmbrecht, das alles ist nichts gegen den letzten Traum: Hör, du standest auf einem Baum, von deinen Füßen hinunter ins Gras waren es bestimmt anderthalb Klafter. Zwei Vögel saßen auf deinen Schultern - links eine Krähe, rechts ein Rabe -, die rissen an deinen Haaren. Wehe dir, Sohn, wenn dieser Traum wahr wird! Wehe über den Baum und die Krähe und den Raben - wehe über uns alle!«
In der Stimme des Sohnes flackerte es kurz wie Schluchzen: »Und wenn es auch alles so kommt, Vater. Ich muss fort, ich kann keine Stunde mehr bleiben! Es geht nicht! Es zieht mich in jeder Ader fort! Grüße die Mutter, Gott empfohlen - aber ich muss weg!« Damit riss er dem Vater die Zügel vollends aus der Hand und ritt davon.
Sein Ross brachte ihn auf eine Burg, deren Herr ständig in Händel verwickelt war und viele Knechte brauchte zum Kämpfen; der nahm den jungen Mann in seinen Dienst.
So wurde Helmbrecht ein gewaltiger Räuber, der alles mitnahm und in seinen Sack steckte. Keinem ließ er auch nur einen winzigen Löffel übrig. Aber ihm war auch nichts zu groß, er nahm alles, ob mit Haaren oder ohne, ob krumm oder gerade - der Sohn des Meiers Helmbrecht nahm es. Er raubte das Pferd und das Rind, die Rüstung und das Schwert, den Mantel und das Kleid, er nahm die Ziege samt dem Bock, das Schaf samt dem Widder. Er konnte nie genug kriegen.
Das alles musste er später furchtbar bezahlen.
Den Frauen zog er den Mantel und den Pelz herunter und riss ihnen Rock und Hemd vom Leibe. Als ihn dann der Scherge fing, musste er gerade dies büßen - Frauen
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