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Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter

Titel: Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenther Bentele
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Sie setzten ihn an den warmen Ofen, wo er auf das Essen warten durfte, und schoben ihm Polster und Kissen unter die Arme; so bequem wie möglich sollte er es haben. In der Wärme schlief er ein -
    Als er erwachte, war das Essen zubereitet, und er wusch sich die Hände.
    Ach, solche Speisen müsste es jeden Tag geben! Klein geschnittenes Gemüse trugen Mutter, Schwester und Magd auf, dazu ein schönes Stück Fleisch, nicht zu fett und nicht zu mager, reifen Käse, die fetteste Gans, die jemals am Spieß steckte, groß wie eine Trappe. Zum Schluss gab es noch ein gesottenes und ein gebratenes Huhn, wie es der Hausherr versprochen hatte, und es gab noch mehr gute Sachen, wie sie Bauern sonst nicht kennen.
    Ein Mahl wie für den vornehmsten Herrn, zum Beispiel auf der Jagd. »Hätten wir Wein«, rief der Vater zufrieden, »heute müsste man ihn trinken! Aber wir haben Quellwasser - fast so gutes wie aus der Wanghausener Quelle; doch die zaubert uns keiner so geschwind herbei.«
    Dann fragte er nach dem Leben bei Hofe und erzählte von seinen eigenen Erinnerungen: Als Junge war er einmal von seinem Vater, also Helmbrechts Großvater, der auch Helmbrecht hieß, an den Hof geschickt worden mit Abgaben von Käse und Eiern, wie sie auf Meierhöfen üblich sind.
    Der Vater war noch ein Kind gewesen, aber er hatte alles genau beobachtet und erinnerte sich noch gut: Wie sich die Ritter den Damen gefällig machten durch Scheinkämpfe und in Turnieren - wie sie sich im Spiel von den Pferden stachen, einzeln und in Gruppen. Dann gab es Tanz und Gesang. Ein Musikant spielte auf seiner Geige, und die Damen erhoben sich, die Ritter fassten sie an den Händen - es war ein herrliches Schauspiel. Alle tanzten durcheinander - Reiche und Ärmere, ganz unbeschwert. Einer las aus einem kostbaren Buch vor, andere schossen mit Bogen auf Zielscheiben. Wieder andere machten sich auf zur Jagd und zur Pirsch.
    »So war es damals. Aber ich weiß, heute ist alles anders«, sagte der Vater: »Der Schlechteste von damals wäre heute der Beste. Überall ist Lug und Trug. Heute zählt nur noch, wer andere hereinlegt und ausnimmt - Verschlagenheit gilt - statt Treue und Ehre. Doch wer heute anständig ist und Gott und sein Gesetz ehrt, der verreckt. Und ein Lump, der mit seinem Besitz protzt, gilt bei Hofe am meisten.« So sagte er und sah aus, als hoffe er auf Widerspruch: »Und nun, lieber Sohn, wie hast du es erlebt?«
    »So wie damals ist es nicht mehr, Vater. Uns geht es heute ums Trinken: ›Trink, Herr, trink, trink!‹, rufen wir. ›Trink das aus, so zieh ich nach! So gut geht’s uns nie wieder!‹ Vornehme Herren in Gesellschaft schöner Damen - das war einmal! Unsere Sorge ist, dass der Wein nicht ausgeht, denn der heizt uns an. Heute heißt der Schlachtruf der Minne: ›Süße Weinspenderin, füll uns den Krug!‹ Wer eine Frau dem Wein vorzieht, ist ein Narr! Wer lügt, was das Zeug hält, ist der Größte; wer betrügt, wird geehrt; wer andere mit Worten hereinlegt, gilt als geschickt; wer flucht wie ein Knecht, der taugt etwas. Und wer so lebt, wie du es erzählt hast, über den lacht man sich tot, und seine Gesellschaft ist so angesehen wie die des Henkers. Acht und Bann - darüber können wir nur lachen.«
    Der Alte murmelte: »Gott sei’s geklagt.«
    »Die alten Turniere sind abgeschafft: Früher hieß es: Held Ritter, seid froh! Heute gilt der Ruf: Jag Rinder, jag, jag! Stich, schlag zu: Stich dem die Augen aus, schlag dem anderen die Füße ab, bring den Dritten um seine Hand! Und setz diesen Reichen gefangen - er muss uns hundert Pfund bezahlen! Vater, ich kenne mich da aus. Ich könnte dir die ganze Nacht von diesem Leben erzählen. Aber ich bin weit geritten und bin müde und brauche Ruhe.«
    So geschah es. Gotelinde breitete noch ein frisch gewaschenes Hemd für ihn über das Bett, und er schlief bis weit in den nächsten Tag hinein.
     
    Nach dem Erwachen packte Helmbrecht aus, was er jedem Schönes vom Hof mitgebracht hatte. Der Vater bekam einen Wetzstein, kein Mäher hat jemals einen besseren in seinen Kumpf gesteckt, und eine Sense, wie keine jemals durch das Gras gezogen worden ist. Heissa, ein richtiges Kleinod für einen Bauern! Dazu ein Beil und eine Hacke, alles feinste Arbeiten eines Schmieds.
    Einen wunderbaren Fuchspelz brachte er der Mutter. Den hatte er einem Priester ausgezogen. Einem Kaufmann hatte er ein seidenes Kopftuch gestohlen - das bekam Gotelinde, dazu einen prächtig verzierten Gürtel, gemacht für

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