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Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter

Titel: Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenther Bentele
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eine adelige junge Dame.
    Dem Knecht brachte er Riemenschuhe; ja, er war schon höfisch, dieser Helmbrecht! Wäre er selbst Bauer gewesen, hätte er seinen Knecht ohne Schuhe gelassen! Der Magd brachte er ein Kopftuch und ein rotes Bändchen, beides brauchte das Mädchen dingend.
     
    Sieben Tage blieb Helmbrecht. Aber die Zeit auf dem Bauernhof und ohne jeden Raub war für ihn wie ein ganzes Jahr, und er verabschiedete sich möglichst rasch wieder von den Eltern.
    Am Abend, bevor er ging, stellte der Vater sich vor ihn und sagte ernst: »Wenn du von dem satt wirst, was ich dir geben kann - bleib da, Helmbrecht, ich verspreche es dir, du brauchst keinen Finger schmutzig zu machen. Geh aus und ein, wie du willst. Aber gib das Hofleben auf - es ist sauer und bitter zugleich: Lieber bin ich ein Bauer als ein Höfling, der nicht wenigstens Abgaben von ein paar Dörfern erhält, und der immer nur mit Stehlen sein Leben dransetzen muss und jeden Tag vom Feind gefangen, verstümmelt oder gehängt werden kann.«
    »Meinen Dank, Vater«, sagte Helmbrecht, »aber seit ich keinen Wein getrunken habe und kein Rindfleisch mehr bekomme, und das ist jetzt schon über eine Woche, muss ich den Gürtel drei Löcher enger schnallen. Ich sage dir: Pflüge werden stillstehen, unter den Rindern wird aufgeräumt werden, ehe ich mir wieder Ruhe gönnen kann und wieder fett bin.« Er strich selbstgefällig über sein langes Haar: »Auch muss ich einen Frevel rächen, den ein reicher Mann an meinem Paten begangen hat - es hat mich mehr aufgeregt als vieles andere: Er ist ihm über die Saat geritten, und dafür zahlt er mir tausendfach: Seine Kühe hol ich mir, denen bringe ich das Laufen bei und seinen Schweinen und Schafen mit! Er hat meinem Paten die Arbeit zertreten und damit mich beleidigt. Ein anderer reicher Mann hat mich ebenfalls geärgert - er hat zu Krapfen Brot gegessen: Ich will tot umfallen, wenn ich das nicht räche. Und ich kenne noch einen reichen Mann, auch an ihm werde ich mich rächen - und sollte sich ein Bischof für ihn einsetzen.«
    »Wie hat der dich denn beleidigt?«, fragte der Vater, verwundert über solche neuen Sitten.
    »Er hat seinen Gürtel gelockert, als er sich zu Tisch setzte. Sein ganzes Hab und Gut hole ich dem weg: Sein Zugvieh verhilft mir bis Weihnachten zu neuer Kleidung - was glaubt denn dieser Dummkopf! Ich wäre ja ein Feigling, wenn ich alle diese Kränkungen nicht rächen würde. Ein anderer hat den Schaum vom Bier geblasen - wie soll ich denn in der Achtung der Damen bleiben, wenn ich das nicht räche, und zwar so rasch wie möglich? Bald wird man hören, dass Helmbrecht einen großen Hof leer gemacht hat! Und finde ich nicht den Mann selbst, so treibe ich ihm wenigstens die Rinder weg!«
    Der Vater unterbrach ihn: »Wer hat dir denn so etwas beigebracht, sag! Dass du einem reichen Mann alles wegnimmst, bloß weil der zu Brot Krapfen isst! Das wüsste ich schon gerne.«
    »Das sind meine Freunde Lämmerschling und Schluckdenwidder, von den beiden habe ich es gelernt. Es gibt noch mehr Freunde: Höllensack und Rüttelschrein, auch das sind meine Lehrer, dazu noch Kuhfraß und Matschkelch, diese sechs. Zum Trupp gehört auch mein Freund Wolfsrachen, der nimmt keine Rücksicht - nicht einmal auf seine nächsten Verwandten. Der lässt den Leuten nicht so viel, dass sie ihre Scham bedecken können, und wenn es noch so kalt ist. Mein Freund Wolfsrüssel öffnet dir ohne Schlüssel jedes Schloss und jede Eisenkiste. In einem Jahr habe ich über hundert Eisentruhen gezählt - bei denen sprang das Schloss schon auf, wenn er nur in der Nähe war! Es gibt noch einen weiteren Kumpan, auch der hat einen vornehmeren Namen als so mancher andere junge Mann - den gab ihm eine mächtige Herzogin aus edlem Geschlecht, Narie von Nonnarre. Er heißt Wolfesdarm. Stehlen ist sein Element, und es macht ihm solche Lust, dass er nie genug kriegt - ihn zieht das Verbrechen an wie die Saat die Krähe.«
    »Und wie rufen deine Freunde dich?«
    »Lieber Vater, mein Name ist Schlingdasland. Und auf den bin ich stolz - eine Ehre für mich. Ich bin der Schrecken der Bauern in der ganzen Gegend: Ihre Kinder fressen jetzt Wasserbrei, aber das ist harmlos; ich weiß schlimmere Qualen: Dem einen drücke ich das Auge aus, den anderen hänge ich in den Rauch; einen binde ich auf einen Ameisenhaufen, dem anderen reiße ich mit der Zange die Haare aus dem Bart; jenem ziehe ich die Haut vom Kopf oder zerschlage ihm die Glieder, diesen

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