Augenzeugen
berichtete dann bereitwillig. Schönfelder hatte schon seine Ausbildung in diesem Betrieb gemacht und war dann übernommen worden, weil er ein talentierter Verkäufer war. Der junge Mann sei freundlich und zurückhaltend, was besonders den älteren Kunden gefiel, aber seitdem er Witwer sei, manchmal schon fast ein wenig zu still.
Astrid rechnete. «Mit siebenundzwanzig Jahren schon Witwer?»
«Ja, traurig, nicht wahr? Seine Frau ist voriges Jahr gestorben.»
«Wissen Sie, ob und wohin Herr Schönfelder verreisen wollte?», fragte Cox.
«Nein, leider …» Verweyen strich sich über seine makellose Frisur. «Er spricht nicht gern über Privates. Aber warten Sie, seine Eltern, die müssten Ihnen doch Auskunft geben können, denken Sie nicht? Wenn Sie mich einen Augenblick entschuldigen würden, ich glaube, das Ehepaar ist in unserer Kundenkartei.»
Er verschwand im Nebenraum und kam mit einem Zettel zurück. «Hier bitte, die Anschrift der Eltern.»
«Herzlichen Dank.» Astrid rang sich ein Lächeln ab. «Sagen Sie, ist Herr Schönfelder eigentlich besonders groß?»
«Doch, doch, er ist ein stattlicher Typ, ich schätze seine Größe auf 1 Meter 90.»
«Eine letzte Frage noch», meinte Cox. «Wo war Herr Schönfelder am Mittwoch, dem 8. August, nachmittags?»
Verweyen überlegte nicht lange. «Da müsste er eigentlich im Hause gewesen sein, es sei denn, er hatte eine Änderung auszuliefern. Wenn Sie sich noch einmal gedulden würden …» Wieder verschwand er nach nebenan, diesmal brachte er eine dicke Kladde mit.
«Der 8. August … ah, da haben wir ihn ja. An dem Tag hat Herr Schönfelder einen Anzug ausgeliefert. Der Termin war um 15 Uhr bei einem Herrn Schnieders, Wehrpöhl 39.»
Cox guckte fragend. «Wehrpöhl, wo ist das denn?»
«In Griethausen!» Astrid merkte erst jetzt, dass sie die Luft angehalten hatte. «Ist Herr Schönfelder nach der Auslieferung hierher zurückgekommen?»
«Ja, natürlich, wir haben bis 18.30 Uhr geöffnet.»
«War er irgendwie verändert?»
«Wie bitte?» Verweyen sah sie ratlos an. «Nein, eigentlich nicht, ich meine, ich erinnere mich nicht an diesen konkreten Tag, aber ich habe in den letzten Monaten keinerlei Veränderung bei Herrn Schönfelder registriert.»
«Trug er vielleicht einen Rollkragenpullover?»
«Im August?», fragte der Abteilungsleiter verblüfft. «Nein, das wäre völlig indiskutabel. Wir legen hier sehr viel Wert auf korrekte Kleidung, wie Sie sich denken können. Aber Herr Schönfelder trägt gern schon mal ein legeres Seidentüchlein statt des klassischen Binders. Und das begrüßen wir natürlich.»
Unterdessen saß Helmut Toppe bei der Staatsanwaltschaft.
Dr. Stein hatte ihn angerufen: «Mein früherer Kollege Escher sitzt hier bei mir, und wir haben möglicherweise etwas Interessantes entdeckt. Hätten Sie Zeit, zu uns zu stoßen?»
Stein war passionierter Teetrinker und ließ ihnen, bevor er zur Sache kam, von seiner Sekretärin erst einmal eine Kanne Earl Grey und eine Schale Madeleines bringen.
Genüsslich schnupperte er an seiner Tasse und schaute dann Toppe zerknirscht über den Rand hinweg an. «Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen. Am Telefon letztens war ich nicht gerade freundlich. Aber ich hatte den Eindruck, Sie wollten meinem Kollegen korruptes Verhalten unterstellen, und Gernot ist einer der integersten Menschen, die ich kenne. Ich hoffe, Sie verzeihen mir meinen rüden Ton, ich hätte Sie eigentlich besser kennen müssen.»
«Ist schon in Ordnung.» Toppe entspannte sich.
Escher nahm sich einen von den kleinen Kuchen und stippte ihn in seinen Tee. Heute wirkte er beinahe heiter. «Ich habe lange über Ihre Idee nachgedacht, es könne sich um Erpressung gehandelt haben, bei der es allerdings gar nicht um Geld ging, und ich muss sagen, sie leuchtet mir ein. Deshalb bin ich gestern nach Kleve gekommen, um noch einmal meine damals aktuellen Verfahren durchzugehen. Dr. Stein hat mir liebenswerterweise dabei geholfen, aber wir sind beide zu demselben Ergebnis gekommen wie seinerzeit auch die Soko: Es gab nichts Verdächtiges.»
Stein stellte seine Tasse ab. «Dann ist mir allerdings etwas eingefallen. Gernot hat 1997 nicht nur seine eigenen Fälle bearbeitet, er war als Oberstaatsanwalt auch zuständig für die Zuteilung von Verfahren, das heißt, er entschied, welcher Kollege welchen Fall übernehmen sollte. Und damals hatten wir eine ganz große Sache auf dem Tisch.» Er schaute Escher fragend an.
«Mach
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